Volltext: EINTRACHT (1998) (Staatsfeiertag)

BEi EINTRACHT STAATSFEIERTAG 
1998 SAGEN Das Klare, Erklärbare, Wirkliche ist ein Teil unseres Lebens, das Dunk- le, schwebend Unbestimmte ein anderer Teil. In den Sagen lebt die- ser Teil - sie sind Phantasie und Poesie des 
Volkes. Unser Land ist reich an Sagen Unser kleines Land ist sehr reich an Sagen. Es sind Erinnerungen und Er- zählungen des Volkes, geheimnis- volle und oft unheimliche Ge- schichten, die ihre Wurzeln meist in schlimmen Erlebnissen des Volkes in der Vergangenheit, im Aberglauben usw. haben und in ihren Motiven manchmal bis in vorchristliche Zeiten zurückreichen. Von einer dieser beeindruckenden Sagen berichten wir 
nachstehend. Die lebendige Puppe Können die Dinge lebendig wer- den? Ja, es gibt oft merkwürdige Geschehnisse auf dieser Welt, und man muss deshalb in mancher Hin- sicht vorsichtig sein. Aber daran dachten die übermütigen Alp- knechte auf der Alp Guschg am Schönberg in jenem guten, warmen Sommer, den sie nie mehr verges- sen werden, gar nicht; denn die Ar- beit ging ihnen leicht von der Hand, alles gedieh prächtig, so dass sie oft viel Zeit übrig hatten. Sie sassen dann vor ihrer Alphütte und schauten gelangweilt dem weiden- den Vieh zu oder trieben Spässe und 
Schabernack. Mit der Puppe Kurzweil getrieben Dabei kamen sie auf den abwegi- gen Gedanken, aus alten herumlie- genden Lumpen eine Puppe zu ma- chen, mit der sie nun viel Kurzweil hatten. Sie setzten sie an den Tisch und führten mit ihr dumme Ge- spräche. Sie nahmen sie plötzlich in den Arm, trugen sie wie ein Kind umher und taten, als wiegten sie sie in den Schlaf, um sie dann unverse- hens in eine Ecke zu werfen. Odersie 
versuchten, ihr Mus und Milch in den Mund zu löffeln, und ver- schmierten dabei das ungestalte Gesicht der Puppe. «Red auch einmal, du Tolpatsch!», fuhren sie die Puppe an, und da sie begreiflicherweise nicht antwortete, schlugen sie sie mit Händen und Füs- sen und lachten sich dabei 
halbtot. «Der muss bei mir bleiben» Aber dann geschah das Unfassliche und Grauenerregende, dass eines Tages die Puppe wirklich sprach. Der Herbst war gekommen, die Alpknechte trieben das Vieh zu- sammen und richteten sich für die Talfahrt. Am letzten Tage sassen sie noch einmal beim Essen zusammen und hatten dabei auch die Puppe an den Tisch gesetzt, mit der sie wie- der unanständige Spässe trieben. Als sie das Mahl beendet hatten und gerade aufstehen wollten, san- ken sie wie vom Schlage getroffen auf ihre Sitze zurück; denn die Au- gen der Puppe begannen plötzlich seltsam und furchtbar zu glitzern. Sie schaute einen um den andernböse 
und durchdringend an, dann öffnete sie ihren Mund und hohl sprach ihre Stimme: «Ihr könnt alle heimgehen, aber der Senn da», und sie hob den Arm und zeigte auf den fahlen Senn, «der muss bei mir bleiben.» Kalter Schauer lief ihnen den Rücken hinunter Wie von einer magischen Kraft ge- halten, blieb der Senn sitzen, während die Alpknechte schlotternd und bebend die Herde und ihre Geräte sammelten und wie gejagt die Alp verliessen. Als sie ein Stück weiter unten waren und sich etwas gefasst hatten, blickten sie noch ein- mal scheu zurück, und was sie da sahen, trieb ihnen einen kalten Schauer den Rücken hinunter: Auf dem Dache der Sennhütte war die Haut des Sennen wie zum Trocknen ausgespannt, und daneben sass die lebendig gewordene Puppe, verwarf wild die Arme und lachte, lachte höhnisch und fürchterlich ... Diese Sage hat Lehrer Frommelt in Triesenberg erzählt, und wer genau zuhört, mag eine Lehre daraus zie- hen.Dino Larese 26
	        

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