Volltext: EINTRACHT (1997) (Staatsfeiertag)

Eäü EINTRACHT STAATSFEIERTAG 
1997 LEITARTIKEL Die Ziele der Liechtensteinischen Trachtenvereinigung sind sehr breit gefächert und umfassen einen nicht geringen Teil des kulturellen Lebens unseres Landes. Zu letzterem zäh- len auch die kirchlichen, familiären und weltlichen Sitten und Bräuche. Ein nicht unwichtiger Teil derselben ist das Tragen von liechtensteini- schen 
Trachten. Die Tracht hat etwas mit Gemüt zu tun. Bischof Dr. Reinhold Stecher, Inns- bruck, hat anlässlich des Öster- reichischen Bundesseminars 1996 gesagt: «Und so versuche ich, ein wenig darüber nachzudenken, was die Tracht in unser Leben und in unser Gemeinschaftsleben bringt. Die Tracht hat etwas mit Gemüt zu tun. Ich glaube, dass das auch für Eure Vereine gilt. Und hier muss ich gleich innehalten. Das Gemüt ist nicht die Stärke unserer Zeit. Es gibt in unserer Gesellschaft und in unserem modernen Leben sehr viel Gemütsverarmung und Gemütszer- störung. Das Gemüt braucht ein- fach etwas Zeit, damit es zum Schwingen kommt.» Weiter meint er: «Und jetzt wisst Ihr, warum ich überall hin einen Segen mache, wo das Gemüt und das Gefühlhafte und das Gemütliche gepflegt wer- den. Das Gemüt der Menschen braucht heute auch so etwas wie einen Naturschutz.» Die Tracht hat etwas mit Fest zu tun. Normalerweise ist die Tracht, die wir pflegen, ein Festgewand. Die Schönheit und die Kostbarkeit der Stoffe signalisieren: Wir feiern! So wie es die Fahnen an den Häusern tun. Feste gehören zur Menschheit.Sie 
hängen mit den Ereignissen des Lebens zusammen, den Grosstagen der Familie oder der Gemeinschaft, der Gemeinde, der Pfarrei und des Kirchenjahres. Sie können den Frühling oder die Ernte betreffen, die Fasnacht oder den Alpabtrieb, die Weihe eines Hauses oder die Eröffnung eines Schwimmbades. Man sagt, dass ein Volk, das nicht mehr feiern kann, keine Kultur hat. Bischof Stecher ist auch der Auffas- sung, dass mit dem Schwinden der Religion Feste ihren Tiefgang verlie- ren, den Sinngehalt, und damit hören sie eigentlich auf, ein Fest zu sein. Die Tracht ist ein Stück 
Fest. Die Tracht hat etwas mit Würde zu tun. Unsere Trachtenträgerinnen haben viele Berufe. Sie sind Hausfrauen, Bäuerinnen, Angestellte in Büros, Betrieben und sozialen Institutio- nen, selbständigerwerbende und vieles andere. Es sind jüngere und ältere Frauen - aber ausschauen tun sie alle wie Prinzessinnen in ihrer schönen «Liechtensteiner» und «Triesenberger» Tracht. Bischof Ste- cher meinte zu diesem Punkt: «Beim Diplomatenball ist eine Frau eines österreichischen Beamten in Tracht erschienen. Sie hat eigentlich alle Abendkleider ausgestochen. Tracht hat etwas mit Würde zu tun. Sogar bei den ärmsten Völkern ... Ihre Beständigkeit hat eben mit Würde zu tun. Bei der Tracht geht die Geschichte mit und die Erinne- rung. Veränderungen, die die Zeit ja auch verlangt, sind 
behutsam.» Die Tracht hat etwas mit Gemeinschaft zu tun. Es gibt, so meint Bischof Stecher, «ja keine individuelle, ja ganz persönli- che Tracht.» Sie ist immer Ausdruck einer Verbundenheit mit Region, Tal oder Dorf. Die Tracht verweist auf tiefere Gemeinsamkeit, die auch in der Geschichte zurückreicht. Sie verweist auf Heimat. Unsere Trach- tenvereine sind Stätten familiärer Gemeinsamkeiten, die den Mitglie- dern etwas Heimat bieten und dem allgemeinen Trend der Vereinsa- mung entgegenwirken. Weil die Tracht etwas mit Gemeinschaft zutun 
hat, kann sich nicht jede Frau ein Unikat, also jene Tracht anschaf- fen, die ihr gefällt. Prof. Dr. Karl llg erklärte an der ersten Tagung der Trachtenkommission: «Trachten zu subventionieren ist nur vertretbar und richtig, wenn diese den histori- schen Vorbildern entsprechen. Es ist unverantwortlich, auch eine ganz schöne Tracht zu subventionieren, wenn sie dem historischen Vorbild nicht gerecht wird.» Durch die Ver- bundenheit wird auch wegen der zunehmenden Mobilität bei Wohn- sitzwechsel einer Trachtenträgerin ein Mitwirken im Trachtenverein am neuen Wohnort sichergestellt. Die Tracht ist ein Stück 
Kultur. Das Wort «Kultur» kommt vom La- teinschen «colere», was «liebevoll pflegen» heisst. Die Tracht ist ge- wachsene Schönheit, und die Schönheit und Vielfalt der liechten- steinischen Volkskultur kommt wohl kaum in einem anderen Be- reich deutlicher zum Ausdruck als gerade in unseren Trachten. An ih- nen haben die Jahrhunderte ge- formt und gewoben, gestickt und gearbeitet. Die Tracht ist insofern ein individuelles Kleidungsstück, als sie von erstklassigen Schneide- rinnen in einer der jeweiligen Trä- gerin angemessenen Form verarbei- tet und am Mieder und der Haube mit feinen, von der Trägerin ausge- wählten Stickereien verziert wird. Zum Staatsfeiertag gehören Trachten. Die Trachten verschönern am Staatsfeiertag auch die Feiern auf der Schlosswiese in Vaduz, zu wel- chen ich alle Leserinnen und Trach- tenträgerinnen herzlich einlade. Zum Vaterland gehört das Feiern von Festen. Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich deshalb einen fröhlichen Staatsfeiertag. Adulf Peter Goop
	        

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