Volltext: EINTRACHT (1995) (Advent)

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EINTRACHT ADVENT 
1995 'ERSONLICHKEITEN Unter diesem Titel stellen wir je- weils eine Persönlichkeit vor, die in Liechtenstein und für Liechtenstein Aussergewöhnliches geleistet 
hat. Vor hundert Jahren geboren: Regierungschef Dr. Josef Hoop (1895-1959) Als am 14. Dezember 1895 in Eschen Josef Hoop als Bauernsohn zur Welt kam, regierten noch die Monarchen Kaiser Franz Josef, Zar Nikolaus II., Kaiser Wilhelm II., der türkische Sultan, in Liechtenstein Fürst Johannes II. Als Dr. Josef Hoop am 19. Oktober 1959 starb, stand die Welt mitten im Kalten Krieg unter der Drohung der «Bom- be», das Fürstentum zugleich in der zweiten Welle der Industrialisie- rung. Hoop führte Liechtenstein als Regierungschef von 1928 bis 1945 durch 17 dunkle Jahre: Wirtschafts- krise, Nationalsozialismus, Welt- krieg. Nach Gymnasium in Stans und Feldkirch sowie Matura in Zürich studierte Hoop in Innsbruck orien- talische Sprachen. Doktorat 1920, Attache und Geschäftsträger an der Liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien, Angestellter der Eidgenös- sischen Zollverwaltung in Genf und St. Gallen, 1928 nach der Sparkas- saaffäre unvermittelt Regierungs- chef - Hoop war knapp 33 Jahre alt, politisch unverbraucht und kannte Österreich und die Schweiz; Bürgerpartei und Fürst Johannes II. vertrauten 
ihm. Ein schwieriges Amt trat er an. Im Innern galt es, der Wirtschaftskrise, der Arbeitslosig- keit, dem Parteienstreit, der politi- schen Unrast, nationalsozialisti- schen Tendenzen entgegenzusteu- ern. Herausforderungen für Hoop waren die Rotteraffäre 1933, dieTotalopposition 
des Heimatdienstes 1933 - 1935, die Spitzelaffäre 1937, insbesondere aber die März- Krise 1938 im Zuge des Anschlus- ses Österreichs ans Dritte Reich und wieder der Anschlussputsch der «Volksdeutschen Bewegung» im März 1939. Hoop war keine Parteimaschine, er handelte über- legt, wich der Konfrontation aus, war zum Ausgleich bereit. Im März 1938 gab er dem Druck der Oppo- sition nach, band die Vaterländi- sche Union in die Regierungskoali- tion mit der Bürgerpartei ein und führte 1939 das Proporzwahlrecht ein. Die 1938 bis 1945 bestehende nationalsozialistische «Volksdeut- sche Bewegung» verbot er nicht, beschnitt aber ihr öffentliches Wir- ken und entzog ihr die Jugend durch Förderung der Pfadfinder und Jungmannschaften. Hoop lehnte das Land wirtschaft- lich wie politisch an die Schweiz an. Zugleich suchte er Gross- deutschland durch freundliche, nichtprovokative Diplomatie dem Ländchen gewogen zu halten. Hier- zu setzte er Höflichkeitsgesten, Be- suche in Berlin - 1939 mit dem Fürsten bei Hitler - Orden, Brief- marken und private Kontakte ein; gelegentlich redete er den Deut- schen allzu sehr nach dem Munde, so im Dezember 1940 in Stuttgart.Doch 
war sein Ziel, wie die Doku- mente belegen, klar: Liechtenstein selbständig und in engem Verhält- nis zur Schweiz bewahren, das Land aus Krieg und NS-Ansteckung heraushalten. Drei Fürsten erlebte Hoop als Regierungschef: Johannes II., Franz I. und ab 1938 Franz Josef II. Mit dem Letzteren, der elf Jahre jünger war, sprach Hoop die Politik in der Zeit der Ge- fahr bis 1945 umsichtig ab. Aller- dings kam es 1944 wegen der Wie- dereröffnung der Berner Gesandt- schaft zu Differenzen und 1945 kurz nach dem Waffenstillstand we- gen Hoops deutschem Kontakt- mann Sieger zum Bruch zwischen Hoop und dem Fürsten. Hoop und die ganze Regierung, samt Dr. Alois Vogt und Pfr. Anton Frommelt, tra- ten zurück. Später sagte Franz Josef II. einmal: «Dr. Hoop hat das Land gerettet.» Nach seinem unerwarteten Rück- tritt erwarb der 50-jährige Altregie- rungschef in Innsbruck in einem Zweitstudium den Doktor der Rechte und wirkte in Vaduz als Rechtsanwalt, Verwaltungsratspräsi- dent der Landesbank und Staatsge- richtshofpräsident sowie ab 1957 als Landtagsabgeordneter; Hoop war 1959, als er starb, Landtagsprä- sident, «höchster Liechtensteiner» neben dem Fürsten. Regierungschef Hoop und seine Frau Emilie, geborene Gstöhl, die aus der Eschner «Eintracht» stammt, wohnten ab 1928 im Landesverwe- serhaus neben dem Regierungsge- bäude, später im Vaduzer Villen- viertel, wo Frau Hoop bis heute lebt. Kinder hatten sie nicht. Hoop war eifriger Leser, Radiohörer, ver- stand Arabisch, botanisierte auf Spaziergängen mit seiner Frau, Journalisten konnten ihn bei der Gartenarbeit antreffen. «Bauern- schlau» nannten ihn die Vertreter des Dritten Reiches, «charmant» die auswärtigen Besucher. Er wuss- te mit seinen Liechtensteinern ebenso gut umzugehen wie mit den unterschiedlich Grossen der Welt. Dr. Peter Geiger
	        

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