Volltext: EINTRACHT (1994) (Advent)

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1994 UNSER GASTFürstlicher Rat Robert Allgäuer Vaduz Ausländer sind wir alle ... I.Teil Als Eschner Bürger bin ich in Va- duz, also im Oberland, wo ich seit über dreissig Jahren lebe und arbei- te, ein Unterländer, ein «Tschüg- ger», ein «Heraufgekommener», je- denfalls für die ältere Generation, und als Nicht-Vaduzer Bürger ein Auswärtiger, fast ein Fremder, bei- nahe ein Ausländer. Das Wort «auswärtig» bedeutet «nicht einheimisch, nicht im glei- chen Ort (lebend); ausländisch; von auswärts (her); habs doch gewusst und gefühlt, ich bin ein Ausländer! Aber, verzeiht, verzeiht, liebe Vadu- zer und Vaduzerinnen, das müsste dann statistisch wohl bedeuten, dass es in Vaduz mehr Ausländer gibt als Vaduzer. Das darf doch nicht wahr 
sein!? Fremd «Fremd» heisst «einem anderen Land, Ort, Haus, Volk, einer an- deren Familie angehörig; auslän- disch; nichtbefreundet, nichtvertraut; nichteigen, nichtverwandt, nicht zur Familie gehörig; unbekannt, un- gewöhnlich, seltsam». Also, wenn ich mit einem Ausländer befreundet bin, ist er mir kein Fremder mehr, dann ist er heimisch, einheimisch, dann ist er vom Ausländer zum «Liechtensteiner» geworden, leider aber noch nicht zum Staatsan- gehörigen, zum Landesangehöri- gen, zum Bürger, zur Bürgerin. Ich kenne zahlreiche Ausländer in Liechtenstein, die mich bessere und überzeugtere Liechtensteiner dün- ken als viele Liechtensteiner. Unsere Verfassung spricht von Lan-desangehörigen 
und von Auslän- dern, Inländer kommen nicht vor. Mir gefällt der Begriff «Landesan- gehörige», für mich sind viele Pa- pier-Ausländer in meinem Sinne dem Lande angehörig. Ich plädiere in einem utopischen Vorschlag dafür, dass neben Blut, Ehebündnis und Bürgervotum ein neues Kriteri- um eingeführt wird, Landesan- gehöriger zu werden, indem durch einen intelligenten Detektor der Grad der Solidarisierung und Iden- tifizierung mit Liechtenstein, sei- nem Wesen, seinen Zielen und An- liegen gemessen wird. Am Beginn von Traum und Vision steht Utopie. Im Lesebuch von damals zog man in die Fremde, Fremdlinge heissen heute Ausländer. Ich verwende zu viele Fremdwörter, mag das Spiel des Verfremdungseffekts, beherr- sche leider zu wenig Fremdspra- chen und dies noch ungenügend. Ich begrüsse es, dass der 1866 ge- schaffene Terminus Fremdenver- kehr immer mehr verdrängt wird durch das Wort Tourismus. Die Be- zeichnung «Fremdenpolizei» emp- finde ich als befremdlich und obso- let. Mein Vorschlag wäre, das 1948 geschaffene Amt in «Dienststelle für Landesgäste» 
umzubenennen. Kein Platz in der Herberge Stichwort Gast. Angesichts des be- vorstehenden Weihnachtsfestes, das oft überlagert ist von Konsum und zuckriger Sentimentalität - aus der Tatsache, dass die römisch-katholi- sche Kirche gemäss Art. 37 der Ver- fassung Landeskirche ist und den vollen Schutz des Staates geniesst, kann ja noch nicht gefolgert wer- den, dass in unserem Lande, das oft eine Addition von Egoismen dar- stellt, im staatlichen und privaten Handeln die tragenden Grundsätze des Christentums hochgehalten werden - in dieser Adventszeit er- scheint es angebracht und notwen- dig, bei Lukas über die Geburt Jesu nachzulesen, dass in der Herberge kein Platz gewesen sei - später hiess es, teilweise auch bei uns, das Boot sei voll - angesichts der Erfor- dernisse der Jetztzeit und ange- sichts des christlich Gebotenen er- scheint es notwendig, nach innenund 
aussen Solidarität zu üben, ein zeitgemässer Begriff für Nächsten- liebe, wie Bischof Kräutler sagt, an- gesichts der verqueren Situation in der Welt von heute, erscheint es dringlich, die Erfordernisse der so- zialen Gerechtigkeit in Liechten- stein zu überprüfen, die soziale Verpflichtung des Reichtums und des Wohlstands zu erkennen und zu leben, die Menschenfreundlich- keit im Öffentlichen und Privaten zu pflegen, auszubauen und das al- le achtende Zusammenleben ver- schiedener Menschengruppen ein- und auszuüben. In den Texten der Churer Synode vor mehr als 20 Jah- ren sind diesbezügliche Postulate formuliert, die heute noch aktuell sind und nach vorne weisen. Zurück zum Stichwort Gast. Im (neuen) Katechismus findet sich im Unterkapitel «Pflichten der Bürger» bei 2241 folgender Text, der beson- dere Aufmerksamkeit verdient: «Die wohlhabenderen Nationen sind verpflichtet, so weit es ihnen irgend möglich ist, Ausländer auf- zunehmen, die auf der Suche nach Sicherheit und Lebensmöglichkei- ten sind, die sie in ihrem Herkunfts- land nicht finden können. Die öf- fentlichen Autoritäten sollen für die Achtung des Naturrechts sorgen, das den Gast unter den Schutz de- rer stellt, die ihn 
aufnehmen». Delphi in Vaduz? Es soll Liechtensteiner geben, die der Meinung sind, dass ein richtiger Liechtensteiner nur der ist, der schon Liechtensteiner war, bevor Liechtenstein Liechtenstein hiess. Das aber würde ja bedeuten, dass der Fürst von Liechtenstein, der in einem einzigartigen geschichtli- chen Vorgang dem neuen Lande, entstanden aus der Herrschaft Schellenberg und der Grafschaft Vaduz, den Namen seines Hauses gegeben hat, ja gar kein echter ... nicht auszudenken, nicht auszu- sprechen! Andere scheinen Liech- tenstein für den Nabel der Welt zu halten, obwohl dieser bekanntlich im antiken Delphi zu suchen ist. Älter als Liechtenstein sind viele lichte Steine im Rhein, die Rufen, der Föhn, der sich nicht um staatli-
	        

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