Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Politische Kultur in der Zwischenkriegszeit 
Den auch 1926 von der Bürgerpartei wieder vorgebrachten «Anwurf der 
Religionsteindlichkeit» wiesen die Liechtensteiner Nachrichten als 
«längst abgedroschene Lüge» zurück.“ Allerdings griff auch das Volks- 
partei-Blatt zu diesem Mittel. Es unterstellte beispielsweise dem Bürger- 
partei-Exponenten Dr. Ludwig Marxer 1928 die Aussage: «Mit den Prin- 
zıpien der katholischen Religion habe ich gebrochen!» 
Mit diesen gebetsmühlenartig wiederholten Vorwürfen wurde die 
Behauptung verbunden, die gegnerische Partei gefährde die Freiheit und 
errichte eine Diktatur. Im April 1926 appellierte das Volksblatt an die 
Wähler: «Liechtensteiner, du wirst bald in deinem eigenen Hause nicht 
mehr Meister, wenn du nicht nach der grossen Pfeife tanzest. Es würde 
dir ergehen, wie so vielen in Rußland und Italien, daß du entweder aus- 
wandern könntest, oder man würde dich mundtot machen. Darum 
Liechtensteiner, wenn Du [sic!] noch etwas gibst auf deine eigene Frei- 
heit, auf die Ehre deines Landes und auf dein Fürstenhaus, auf deine Reli- 
gion, dann gibt es für dich nur einen Weg: Keine solche[n] in den Land- 
tag, denen ihr eigener Vorteil über den des Landes und Volkes geht!»" 
Ganz ähnlich klang es nur zwei Tage später auch in den Liechten- 
steiner Nachrichten, nur sah die damalige Regierungszeitung die Freiheit 
durch die Bürgerpartei bedroht: «Wähler von Liechtenstein: wenn Du 
Dich wieder unter Diktatur stellen willst, so wähle ruhig die politischen 
Nachkémmlinge der ehemaligen Dr. Peer-Regierung® und das sind die 
Kandidaten der <«Bürgerpartep. Willst Du aber in einem demokratischen 
  
49 Liechtensteiner Nachrichten, 16. Januar 1926. 
50  Liechtensteiner Nachrichten, 14. Juli 1928. 
51  Liechtensteiner Volksblatt, 1. April 1926. 
52 Der österreichische Jurist Dr. Josef Peer amtierte von 1920 bis 1921 als letzter aus- 
ländischer Landesverweser (Regierungschef). Peer ist der Verfasser der Regierungs- 
vorlage für die Verfassung von 1921. Nach Ablauf seiner zwischen der Volkspartei 
und den fürstlichen Vertretern in den Schlossabmachungen 1920 vereinbarten sechs- 
monatigen Amtsdauer sprach sich die Bürgerpartei für seinen Verbleib im Amt aus, 
wohingegen die Volkspartei auf einen neuen Regierungschef drängte. Darüber wur- 
de am 28. März 1921 eine Volksbefragung durchgeführt, in welcher sich eine 
Mehrheit für den Verbleib Peers aussprach. Dieser stellte sich jedoch nicht mehr zur 
Verfügung (siehe Quaderer-Vogt, Bewegte Zeiten, Bd. 2, S. 183-220, 269-287). Aus 
dieser Parteinahme für Peer leitete die Volkspartei später ab, dass es nach einem 
allfälligen Wahlsieg der Bürgerpartei erneut einen ausländischen Regierungschef ge- 
ben würde. 
95
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.