Liechtensteinische Geschichtswissenschaft
lichkeit des Landes behindert. Dass Liechtenstein räumlich überschau-
bar ist und vergleichsweise wenig Einwohner hat, bringt eine Reihe von
Problemen oder Mängeln mit sich, welche die Bereitstellung von histo-
rischen Untersuchungen beeinträchtigen.
Zu konstatieren ist zunächst ein Mangel an wissenschaftlicher In-
frastruktur: Eine Universität, die auch geistes- und sozialwissenschaftli-
che Fächer anbietet, fehlt. Wissenschaftliche Qualifizierungsarbeiten zu
historischen Liechtenstein-Themen müssen an ausländischen Universi-
täten geschrieben werden. Dabei stehen die historischen Institute an
Schweizer Universitäten, namentlich in Bern und Zürich, im Vorder-
grund.* Einige Liechtensteiner und Liechtensteinerinnen gehen für das
Geschichtsstudium auch nach Deutschland oder Österreich. Auf die
Einrichtung eines staatlichen Forschungsfonds, der auch die liechten-
steinische Geschichtsforschung befruchten würde, wartet man seit Jah-
ren vergeblich. Andere Staaten, etwa die Schweiz, leisten sich einen
Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung.
Deutschland hat die Forschungsgemeinschaft, Österreich den Wissen-
schaftsfonds. In Liechtenstein gibt es nichts Vergleichbares.” Auch eine
Akademie, die in der Wissenschaftsforderung aktiv werden könnte,
fehlt. Insgesamt führt dies zu einem Mangel an kontinuierlicher histori-
scher Forschung.
Die Distanz zur akademischen Geschichtsschreibung mag auch
dadurch zum Ausdruck kommen, dass sich kaum eine historische Arbeit
zu Liechtenstein durch ein Übermass an theorieförmigem Wissen aus-
zeichnet. Auch die Fragestellungen befanden sich nicht immer auf der
Höhe der Zeit. Mit Peter Geigers kumulativer Habilitation an der Uni-
versität Freiburg/Schweiz existiert erst eine einzige Habilitation zu
einem Liechtenstein-Thema.°®
Zu nennen ist zweitens ein Mangel an ganz grossen Themen: Zwar
lassen sich so ziemlich alle Themen, welche die heutige Geschichtswis-
4 Auskunft von Franziska Frick vom Amt für Statistik vom 20. April 2017.
5 Allerdings bezahlt Liechtenstein jährlich je 250 000 Franken an den Schweizeri-
schen Nationalfonds wie auch an den österreichischen Fonds zur Förderung der
wissenschaftlichen Forschung. Forschende beziehungsweise Forschungsinstitutio-
nen aus Liechtenstein sind berechtigt, bei beiden Fonds Anträge einzureichen.
6 Siehe Geiger, Krisenzeit.
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