Betrachtungen über die liechtensteinische
Geschichtswissenschaft
Christoph Maria Merki
Die geringe Grösse des Fürstentums Liechtenstein steht in Diskrepanz
zur Aufmerksamkeit, die seiner Geschichte zuteil wird. Das wissen-
schaftliche Interesse daran ist verhältnismässig gross, obwohl es keine
liechtensteinische Universität mit einem historischen Institut gibt. Die
liechtensteinische Historiografie' wurde durch den Pädagogen und Poli-
tiker Peter Kaiser begründet: Er publizierte 1847 die «Geschichte des
Fürstenthums Liechtenstein».? Es dauerte aber noch ein gutes Jahrhun-
dert, bis sich die liechtensteinische Historiografie wirklich professionali-
sierte und ein ständiger Strom von Arbeiten über Liechtenstein entstand.
Wichtige Schritte auf diesem Weg waren die Dissertationen von Georg
Malin (1953), Rupert Quaderer (1969), Peter Geiger (1970) und Alois
Ospelt (1972), mit denen erstmals liechtensteinische Themen von in
Liechtenstein aufgewachsenen, universitär ausgebildeten Historikern be-
arbeitet wurden.? Der folgende Aufsatz enthält einige Betrachtungen über
die Rahmenbedingungen der liechtensteinischen Geschichtswissenschaft.
Historische Forschung unter
schwierigen Voraussetzungen
Die Geschichte grosser Reiche ist von allgemeinem Interesse. Sie wird
nicht nur im jeweiligen Land selbst, sondern auch im benachbarten Aus-
land, bei früheren Feinden und Freunden, ja selbst in Drittstaaten zur
1 Siehe Arthur Brunhart, «Historiografie», in: HLFL, S. 361-363; Brunhart (Hrsg.),
Historiographie im Fiirstentum Liechtenstein.
2 Siehe Kaiser, Geschichte.
3 Siehe Malin, Politische Geschichte; Quaderer, Politische Geschichte; Geiger, Ge-
schichte des Fiirstentums Liechtenstein; Ospelt, Wirtschaftsgeschichte.
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