Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Elisabeth Berger 
politischen Ehekonsenses Genüge getan, indem das Ehefähigkeitszeug- 
nis erst nach erfolgter Erteilung des politischen Ehekonsenses ausgestellt 
wurde.? Mit der immer häufiger praktizierten nachträglichen Ausstel- 
lung der Bewilligung geriet diese zunehmend zur blossen Formalität. Da 
aber dem Gesetzentwurf, der die Aufhebung des Ehekonsenses und die 
Einführung eines Ehefähigkeitszeugnisses vorsah, die Realisierung ver- 
sagt blieb, war die Eheschliessung bis zum Inkrafttreten des Ehegesetzes 
1974 an die Erteilung des politischen Ehekonsenses gebunden. 
Daraus sowie aus den veralteten eherechtlichen Bestimmungen des 
ABGB ergab sich eine ganze Reihe von Problemen. Während die ent- 
konfessionalisierten Eherechte der Nachbarstaaten ihren Bürgern und 
Bürgerinnen längst die Möglichkeit zur Ehescheidung boten — Öster- 
reich seit 1938 als Teil des Deutschen Reiches und die Schweiz bundes- 
einheitlich seit 1875 —, hielt Liechtenstein an der Unscheidbarkeit der 
Katholikenehe fest. Mithilfe der Scheidung von Tisch und Bett liess sich 
zwar die Auflösung der ehelichen Gemeinschaft relativ einfach realisie- 
ren, eine neuerliche Eheschliessung war aber erst nach dem Tod bezie- 
hungsweise der Todeserklärung eines der beiden Ehepartner möglich.” 
Die einzige Chance für eine Wiederverheiratung bot die Ungültigerklä- 
rung der Ehe im Zuge eines aufwendigen kirchlichen Eheprozesses, was 
in der Praxis die zwangsweise Weiterführung kaputter Ehen sowie die 
Existenz von Konkubinaten, also Lebensgemeinschaften ohne gesetzli- 
che Grundlage, begünstigte. Mit Konkubinatsfällen verfuhr man in 
Liechtenstein auf unterschiedliche Weise. Bei liechtensteinischen Staats- 
bürgern wurde das Zusammenleben häufig toleriert, während in Fällen 
von Konkubinaten verheirateter beziehungsweise getrennt lebender 
Liechtensteiner mit Ausländerinnen oder bei Konkubinaten von Liech- 
tensteinerinnen mit Ausländern die liechtensteinische Fremdenpolizei 
die Wegweisung der ausländischen Staatsbürger verfügen konnte. Ver- 
bunden mit der Verweigerung der Einreise- und Aufenthaltsbewilligung 
stellte dies meist eine unbillige Härte dar, sodass schliesslich in beson- 
deren Fällen Toleranzbewilligungen erteilt wurden. Diese behördliche 
  
26 Siehe hierzu Oehry, Eheschliessung, S. 82. 
27 Das Eherecht des ABGB wurde daher als «Wechselbalg zwischen katholischer Auf- 
fassung (Unlösbarkeit der Ehe dem Bande nach) und Aufklärung (einverständliche 
Lösung von Tisch und Bett)» bezeichnet: Gschnitzer, Eherecht, S. 278. 
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