Besonderheiten des liechtensteinischen
Eherechts
Elisabeth Berger
Bei der Rechtsrezeption im klassischen Wortsinn handelt es sich um die
freiwillige und bewusste Aufnahme fremder Rechtsgedanken und Nor-
men. Diese Form der Rechtsetzung stellt in einem Kleinstaat eine unver-
zichtbare Notwendigkeit dar, um mit den beschränkt verfügbaren Res-
sourcen die Kernaufgaben eines souveränen Staates — Gesetzgebung und
Vollziehung — zu bewältigen. Im Fürstentum Liechtenstein begegnet
man dieser Problematik seit mehr als zwei Jahrhunderten mit der Rezep-
tion ausländischen Rechts, wobei es sich beim rezipierten Recht in ers-
ter Linie um österreichisches und schweizerisches Recht handelt. An der
Rechtsprechung in Liechtenstein sind neben liechtensteinischen Berufs-
und Laienrichtern in sämtlichen Instanzen auch Richter aus Österreich
und der Schweiz beteiligt.! Im liechtensteinischen Privatrecht ergibt sich
dadurch eine ganz besondere Situation, die im Folgenden anhand des
Eherechts und seiner spezifischen Besonderheiten illustriert werden soll.
Die Geschichte der Rezeption
im liechtensteinischen Privatrecht
Die Rezeption österreichischen Rechts
Die Rezeption österreichischen Rechts setzte in Liechtenstein im gros-
sen Stil im Februar 1812 ein und zwar mit der Übernahme des österrei-
chischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) von 1811 so-
1 Siehe zur Thematik grundlegend: Berger, Zivilrechtsordnung; Brauneder, 175 Jahre
ABGB; Berger, 190 Jahre ABGB; Berger / Brauneder, 200 Jahre ABGB; Berger, Re-
zeption.
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