Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Antisemitismus und die Erklärung Nostra aetate 
Die Erklärung Nostra aetate setzt ein mit dem Satz: «In unserer Zeit, da 
sich die Menschheit von Tag zu Tag enger zusammenschliesst und die 
Beziehungen unter den verschiedenen Völkern sich mehren, erwägt die 
Kirche mit um so grösserer Aufmerksamkeit, in welchem Verhältnis sie 
zu den nichtchristlichen Religionen steht.» Die Kirche fasst dabei «vor 
allem das ins Auge, was den Menschen gemeinsam ist und sie zur Ge- 
meinschaft untereinander führt.»"° 
Mit diesen ersten Sätzen ist jeweils eine programmatische Richtung 
vorgezeichnet. Wie die Pastoralkonstitution die «Menschen von heute» 
in den Blick nimmt, so beginnt auch Nostra aetate sozusagen mit einer 
Zeitangabe: Nostra aetate — in unserer Zeit. Diese Zeitangabe ist keines- 
wegs banal, sie enthilt das ganze Konzilsereignis iz nuce. Kein anderes 
Konzil der Geschichte hat die «Zeichen der Zeit»!! so ernst genommen 
wie das Zweite Vatikanum, kein anderes Konzil hatte diesen zeitdiag- 
nostischen Blick. Mit der Geschichtlichkeit des Glaubens und der Kir- 
che wird hier auf eine Weise ernst gemacht, wie es einzigartig ist in der 
kirchlichen Lehrtradition. In einem tieferen Sinne ist gerade die Entde- 
ckung dieser Geschichtlichkeit ein Erbe des Glaubens Israels, das seinen 
Weg durch die Zeiten im Angesicht Jahwes ging. Das Zweite Vatikani- 
sche Konzil bedeutet auch insofern ein «Ressourcement», als es das bib- 
lisch-geschichtliche Wahrheitsverstindnis wieder neu belebt hat." 
Die Wahrheit in den Religionen 
Der Text von Nostra acetate hat eine spannungsreiche Geschichte durch- 
laufen, bis er schliesslich 1965 von der Konzilsversammlung verabschie- 
10 Nostra aetate 1. 
11 Zum Ausdruck «Zeichen der Zeit» siche Kaufmann/Klein, Johannes XXIII., 
S. 24-25, sowie die Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute 
Gaudinm et spes 4. 
12 Der französische Begriff «Ressourcement» ist hier bewusst gewählt, weil die fran- 
zösischsprachige Theologie mit Vertretern wie Henri de Lubac SJ, Jean Danielou SJ, 
Yves Congar OP, Marie-Dominique Chenu OP und vielen weiteren Theologen ent- 
scheidende Vorarbeiten leistete und das Konzil stark mitprägte. Auch für die 
deutschsprachigen Konzilstheologen (Periti) wie Karl Rahner, Joseph Ratzinger 
oder Hans Kiing war die theologische Grundlagenarbeit in Frankreich und deren 
«Ressourcement» damals eine wichtige Inspirationsquelle. 
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