Zollvertragsjubiläen
tenstein und der Schweiz echt und aufrichtig gewesen sein soll — und sie
war es, das ist gewiss — dann wird sie auch in Zukunft echt und aufrich-
tig bleiben und, wie [es] der schweizerische Bundespräsident anlässlich
des liechtensteinischen Staatsbesuches im Jahre 1970 ausdrückte, auch
dauernd sein.»“
Gerade um politisch eigene Wege zu gehen, bemühten nun liech-
tensteinische Politiker das Narrativ des grossen Bruders. Regierungschef
Alfred Hilbe drückte es wie folgt aus: «Es zeugt vom föderalistischen
Geist der Schweiz, der Rücksicht auf die Autonomie anderer und Ver-
ständnis für Minderheiten beinhaltet, dass der viel grössere Partner sich
den legitimen Anstrengungen Liechtensteins nach staatlicher Selbstbe-
hauptung nicht nur nicht entgegenstellte, sondern sie verständnisvoll
unterstützte.»*° Erbprinz Hans-Adam griff auf das Bild eines kleinen
Kindes zurück, das Schutz bei einem grossen und erwachsenen Bruder
suche, und schlug damit ganz andere Töne an, als er es in seiner Ruck-
sack-Rede drei Jahre zuvor getan hatte. Er bezeichnete das Ergebnis der
Zollvertragsverhandlungen — also den Zollvertrag — nicht als Ergebnis
des liechtensteinischen Verhandlungsgeschicks, sondern als Grossmut
der Schweiz dem kleinen Liechtenstein gegentiber. In Anspielung auf
seine Rucksack-Rede fuhr er fort: «Wir erleben seit einiger Zeit, dass
Liechtenstein versucht, auf verschiedenen Gebieten mehr auf eigenen
Beinen zu stehen. Diese ersten Gehversuche auf vielleicht oft noch unge-
wohntem Parkett bedeuten aber keineswegs, dass Liechtenstein die
Hand seines grossen Bruders loslassen und sich von ihm trennen will.
[...] Durch die internationale Zusammenarbeit auf regionaler Ebene, in
den europäischen Gemeinschaften und weltweit in der UNO, ist es für
einen Kleinstaat wie Liechtenstein auf lange Sicht eine Existenzfrage
geworden, seine eigene Stimme bei Konferenzen und Sitzungen zu erhe-
ben. Ich hoffe deshalb, dass sich das Verhältnis zwischen der Schweiz
und Liechtenstein in den nächsten fünfzig Jahren immer mehr zu einer
gleichberechtigten Partnerschaft entwickelt, so weit [sic!] dies zwischen
zwei Staaten so unterschiedlicher Grösse überhaupt möglich ist.»*
45 Ebenda.
46 Alfred Hilbe, Der Zollvertrag als ein klarer Erfolg, in: Liechtensteiner Vaterland,
8. September 1973, S. 1.
47 Erbprinz Hans-Adam, Gleichberechtigte Partnerschaft, in: Liechtensteiner Vater-
land, 8. September 1973, S. 2.
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