Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Urs Altermatt 
schen Schwesterparteien den Namen «Christlichdemokratische Volks- 
partei».° Zusammen mit ihrem belgischen Pendant ist die schweizerische 
CVP die älteste Regierungspartei der europäischen Christdemokratie. 
Seit 1891 ist sie — und dies ist im internationalen Vergleich ein herausra- 
gendes Merkmal — ohne Unterbruch an der Landesregierung beteiligt. 
Nach dem Zusammenbruch der absoluten Mehrheit der Freisinnig- 
Liberalen (FDP) 1919 stiegen die Christlichdemokraten zum Junior- 
partner in der vom Freisinn angeführten «Bürgerblock»-Regierung auf. 
Von 1919 bis 1979 erzielten die Schweizer Christdemokraten zwischen 
20 und 23 Prozent der Wählerstimmen. 
Die Wurzeln der CVP reichen weit in die 1830er- und 1840er-Jahre 
zurück und weisen eine eindeutige programmatische, organisatorische 
und personelle Kontinuität auf. Faktisch besteht die Fraktion seit der 
Entstehung des neuen Bundesstaates von 1848. 1882/1883 gab sie sich 
formell eine Organisation mit einem Programm. Auf schweizerischer 
Ebene bildeten die Katholisch-Konservativen als Vorgängerpartei bereits 
1874 einen lose organisierten Abstimmungs- und Wahlverein. Nach 
Anläufen in den Jahren 1874, 1878, 1881 und 1894 wurde die Konserva- 
tive Volkspartei 1912 endgültig gegründet; 1957 änderte sie den Namen 
in Konservativ-Christlichsoziale Volkspartei. Seit 1970/1971 führt sie 
den neuen Namen Christlichdemokratische Volkspartei. 
In seiner Studie zur europäischen Christdemokratie nach 1945 
weist Timotheos Frey die Christlichdemokraten einem eigenen Partei- 
typ zu, der sich von den religiösen und konservativen Parteien unter- 
scheide.” Mit einiger Plausibilität kann man diese These für Westeuropa 
nach 1945 akzeptieren. Für die Schweiz gilt sie allerdings nicht. Die CVP 
ging im 19. Jahrhundert aus strukturellen Konflikten religiöser und poli- 
tischer Natur hervor, die als «Kulturkämpfe» in die neuere Schweizer 
Geschichte eingingen.® 
  
6 Zum folgenden Kapitel siehe Altermatt, Das historische Dilemma der CVP; Frey, 
Die Christdemokratie in Westeuropa; Zurbriggen, CVP und die soziale Mitte; 
Meuwly, Les partis politiques; siehe auch Späti, Historische Parteienforschung in 
der Schweiz. 
7 Frey, Die Christdemokratie in Westeuropa. 
8 Die Studien der «Freiburger Schule» von Roswitha Feusi, Markus Hodel, Lukas 
Rölli-Alkemper, Bernhard Wigger, Markus Rohner und anderen bestätigen die 
Interpretation. Siehe auch Altermatt, Der Weg der Schweizer Katholiken ins 
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