Die europäischen Christlichdemokraten
unter Jan Peter Balkenende (2002 bis 2010) überraschende Erfolge und
stellten den Ministerpräsidenten.
Krise der Christlichen Demokratie
Als Parteibewegung macht die Christliche Demokratie ohne Zweifel ei-
ne schwere Krise durch. Die 68er-Kulturrevolution hinterliess tief grei-
fende Spuren und stellte grundlegende kulturelle Werte und Lebenswel-
ten des Christentums im Bereich von Familie, Sexualität und Moral
infrage. Die Christlichdemokraten verloren Wähler nach rechts an natio-
nal-konservative und rechtspopulistische Parteien, die im Zeitalter der
Globalisierung und Digitalisierung Fragen der nationalen Identität und
der Migration ins Zentrum stellten und den Dirigismus von Brüssel-
Europa anprangerten. Als ursprüngliche Zentrumsparteien reagierten
die Christlichdemokraten auf die konservative Wende der 1980er-Jahre
europaweit mit einem Rechtsruck.
Hinzu kam, dass die katholische Kirche durch das Zweite Vatika-
nische Konzil eine Gleichgewichtung der demokratischen Parteien vor-
nahm und die frühere Privilegierung katholischer Parteien aufgab. Mit
dem Ausbau des sozialen Wohlfahrtsstaates verloren katholische An-
nexorganisationen wie Vereine, Spitäler und Kindergärten, Krankenkas-
sen und Gewerkschaften ihre soziale Bedeutung für unterprivilegierte
Schichten. Gleichzeitig begannen sich die früheren christlichen Gewerk-
schaften und Krankenkassen selber zu säkularisieren und von den christ-
lich orientierten Parteien zu lösen. Während die christlichdemokrati-
schen Parteien bis in die 1960er-Jahre eine Verchristlichung der Gesell-
schaft anstrebten, verwandelten sie sich spätestens seit den 1980er-Jahren
zu bürgerlich-konservativen Volksparteien mit einer diffusen christli-
chen Wertorientierung. So war es folgerichtig, dass sich die christlichde-
mokratischen Parteien im Europäischen Parlament mit den konservati-
ven Parteien zur «Europäischen Volkspartei» zusammenschlossen.
Schweiz: Der Schatten des 19. Jahrhunderts
1970 gab sich die Schweizer Partei, die unter dem Namen «Konservativ-
Christlichsoziale Volkspartei» firmierte, in Anlehnung an ihre europäi-
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