Väclav Horcicka
also etwas mehr Boden behalten, als es im Durchschnitt der Fall war,
verloren die Eigentümer in der gesamten Republik doch im Schnitt 66
Prozent ihrer Flächen. Die Gründe für dieses Entgegenkommen des
Staates konnten nur teilweise in Erfahrung gebracht werden. Der Histo-
riker Jan Rychlik führt an, die Bereitschaft zum Abschluss der einen
Kompromiss darstellenden Generalvereinbarung mit den Grossgrund-
besitzern sei das «Ergebnis eines allgemeinen Rechtsrutsches der Partei
der Agrarier sowie eines Kompromisses dieser Partei mit dem Klerus
und der rechten Nationaldemokratischen Partei»” gewesen. Eine ge-
wisse Rolle mag auch die Tatsache gespielt haben, dass das Landwirt-
schaftsministerium unter einem erheblichen Mangel an finanziellen Mit-
teln litt und für die konfiszierten Wälder im Jahre 1932 etwa 700 Millio-
nen Kronen an Kompensationszahlungen schuldete.®® Aufgrund eines
Vergleichs mit der ähnlichen Entwicklung beim Eigentum der Schwar-
zenberger Primogenitur in Böhmen vermute ich, dass das Hauptmotiv
die Unfähigkeit und mangelnde Bereitschaft der vom Bodenamt
bestimmten Erwerber (Gemeinden, Bezirke sowie Privatpersonen) war,
den Kaufpreis zu bezahlen. Dafür wiederum kann hauptsächlich die
Krise am Holzmarkt und der daraus resultierende Rückgang des Kauf-
interesses an Wald geltend gemacht werden. Deshalb drängte das Boden-
amt beim Eigentümer auf einen Preisnachlass, den es mit der Freigabe
immer weiterer Flächen aus der Konfiskation kompensierte. Ein Teil der
ausgewählten Erwerber trat vollständig vom Kauf zurück, und so wurde
der Boden seinen ursprünglichen Besitzern, der Familie Liechtenstein,
überlassen.“
Die Verhandlungen zwischen dem Haus Liechtenstein und dem
Bodenamt über den Abschluss der Bodenreform auf den Gütern der Pri-
mogenitur nahm also ein recht günstiges Ende für die Eigentümer. Das
gilt ungeachtet der heftig diskutierten Problematik der Kompensation
58 Puttkamer, Die tschechoslowakische Bodenreform, S. 328.
59 Rychlik, Pozemkovi reforma v Ceskoslovensku [Bodenreform in der Tschechoslo-
wakei], S. 136.
60 AAM, Fonds Juristische Sektion VI., 1918-1945, Karton 455, I. Einlage zu
Nr. 138.931/32/11-3., Dezember 1932 (ohne Tagesangabe).
61 Siehe NA, Fonds Staatliches Bodenamt, Karton 4381, Staatliches Bodenamt, Proto-
koll, 26. Januar 1932, Zusatzvereinbarung über die Senkung der Preise im Austausch
gegen die Befreiung von Land von der Konfiszierung.
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