Volltext: Verfassungsgerichtsbarkeit im Fürstentum Liechtenstein

Die Anfänge: Zurückhaltende Grundrecht sprechung Der Staatsgerichtshof wird in der Literatur verschiedentlich als «Krö - nung» der liechtensteinischen Verfassung von 1921 angesehen.1Der Staats gerichtshof bezeichnet sich auch selbst gern als «Hüter der Ver fas - sung»2. Tatsächlich sind diese Hervorhebungen der besonderen Stellung unseres Verfassungsgerichts im liechtensteinischen Verfassungs gefüge durchaus gerechtfertigt. Denn die verfassungsgerichtlichen Kompeten - zen des Staatsgerichtshofes sind geradezu umfassend. Zwar ist die liech - ten steinische Verfassungsgerichtsbarkeit klar von der österreichi schen Ver fassung von 1920 inspiriert;3trotzdem gehen die Kompetenzen des Staatsgerichtshofes beträchtlich über jene des österreichischen Vorbildes hinaus. Der österreichische Verfassungsgerichtshof kann nämlich die Verfassungsmässigkeit von Entscheidungen der Zivil- und Strafgerichte nicht überprüfen, während in Liechtenstein sämtliche letztinstanzlichen Entscheidungen der Verfassungsbeschwerde an den Staatsgerichtshof unterliegen.4 Mit einer solchen umfassenden Prüfungskompetenz für den Staats - ge richtshof waren die Schöpfer unserer bald achtzigjährigen Verfassung ihrer Zeit weit voraus.5Erst 25 Jahre später erhielt das deutsche Bundes - ver fassungsgericht ähnlich weitgehende Kompetenzen.6, 
7 Während aber das Bundesverfassungsgericht seine Kompetenzen von Anfang an ausschöpfte, war die Rechtsprechung des Staatsge richts - hofes während Jahrzehnten, konkret bis etwa Ende der fünfziger Jahre, 66Hilmar 
Hoch 1Kühne, S. 230; siehe auch Waschkuhn, S. 41 sowie Höfling, S. 32; vgl. auch Clemenz, S. 13 f., welcher vom deutschen Bundesverfassungsgericht als der «Krönung des Rechts staats» spricht. 2So StGH 1982/65/V, LES 1984, 3 (3). Höfling, Bestand, S. 107, spricht vom Selbst ver - ständnis des Staatsgerichtshofes als «Hüter der Grundrechte». 3Siehe Melichar, S. 442 ff. sowie Wille, S. 47. 4Siehe Batliner, S. 104 und 111 ff. 5Vgl. zu früheren Ansätzen zu einer verfassungsgerichtlichen Individualbeschwerde in Österreich sowie im süddeutschen Raum Batliner, S. 112 FN 48 mit zahlreichen Lite - ra turhinweisen. 6Vgl. Höfling, S. 33. 7Mit Höfling, S. 33 FN 74, ist allerdings anzumerken, dass diese Vorreiterrolle des Staatsgerichtshofes in der deutschen Literatur bisher keine Beachtung gefunden hat. Immerhin hatte der Staatsgerichtshof in jüngster Zeit im Rahmen der intensiven freund schaftlichen Kontakte mit dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit, die deutschen Verfassungsrichterkollegen darüber aufzuklären, wem hier die historischen Lorbeeren gebühren.
	        

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