Volltext: Wahlverhalten und Wahlmotive im Fürstentum Liechtenstein

Parteien und Parteiensystem Verschiebung: «War die Christlich-soziale Volkspartei von 1918 nach dem traditionellen Links-Rechts-Schema links von der Mitte und links von der Fortschrittlichen Bürgerpartei anzusiedeln gewesen, der Liech­ tensteiner Heimatdienst von 1933 dagegen weit rechts aussen, so lag die neue Vaterländische Union von 1936 nun deutlich rechts von der Mitte und rechts von der Bürgerpartei.»190 
Diese Verschiebung zeigt sich auch im personellen Bereich, da überraschenderweise die Führung der neuen Partei mehrheitlich in die Hände der Aktivisten des Heimatdienstes fiel, obwohl der Heimatdienst die unbedeutendere Partei darstellte. Aus dem ehemaligen Vorstand des Heimatdienstes besetzten vor allem Otto Schädler als VU-Parteipräsident (1936-1965), Alois Vogt als Partei­ sekretär (1936-1940) und Regierungschef-Stellvertreter (1938-1945) sowie Carl Freiherr v. Vogelsang als verantwortlicher Redaktor des Liechtensteiner Vaterlandes (1936-1937) die Schlüsselpositionen der VU. In dieser Zeit ist eine zunehmende Radikalisierung festzustellen. Nationalsozialistische Ideen fanden fruchtbaren Nährboden. Am 31. März 1938 wurde die «Volksdeutsche Bewegung in Liechtenstein» (VDBL) gegründet.191 Die VDBL war eine nationalsozialistisch orien­ tierte Gruppierung, die den Anschluss an Hitlerdeutschland forderte. Der Rückhalt in der Bevölkerung ist nicht exakt quantifizierbar. Die Anhängerschaft düfte aber nicht weit über 10 Prozent der Bevölkerung betragen haben.192 Die Teilnahme an Landtagswahlen, die darüber Auf­ wahlen vom Januar 1936 und die Landtagswahlen vom Februar 1936 beschlossen daher die Delegiertenversammlungen des Heimatdienstes und der Christlich-sozialen Volks­ partei am 15. Dezember 1935 die Fusion, die an der konstituierenden Versammlung der beiden Parteiausschüsse vom 30. Dezember 1935 vollzogen wurde. Vgl. Geiger 1993a: 7; Geiger 1997 Bd. 1:365 ff. Geiger 1993a: 7. 1,1 Ausführlicher bei Geiger 1990: 75 ff. und 1997 Bd. 2: 187 ff. 192 Man kann dies indirekt daran ablesen, dass bei einer landesweiten Unterschriftensamm­ lung im März 1939 - nach einem erfolglosen Putschversuch - 95,4 % der Stimmberech­ tigten für die Souveränität Liechtensteins eintraten (Geiger 1997 Bd.2: 413). Der soziale Druck dürfte aber auch Personen zu einer Unterschrift bewegt haben, die eigentlich eher nationalsozialistisch eingestellt waren. Der maximale Anteil der Nazi-Anhänger dürfte deutlich unter 18 % gelegen sein, da die neu eingeführte Sperrklausel bei 18 % festgesetzt wurde. Die verantwortlichen Kreise werden die Sperrklausel so kalkuliert haben, dass bei allfälligen Wahlen der Einzug der Nationalsozialisten in den Landtag verhindert worden wäre. Man darf davon ausgehen, dass diese Kreise die Kräfteverhält­ nisse einigermassen zuverlässig eingeschätzt haben. Dieser potentielle Stimmenanteil wird auch gestützt durch verschiedene Schätzungen der Mitglieder- und Sympathisan­ tenstärke (dokumentiert bei Geiger 1997 Bd. 2: 196). Die höchste Schätzung geht bis zu 300 Stimmberechtigten, was einem Anteil von 11,5 % entsprochen hätte. 81
	        

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