Volltext: Zur heutigen Lage des liechtensteinischen Parlaments

Landtagswahlergebnisse und die parlamentarischen Bürowahlen, es wurden Verzeichnisse über Gesetzes- und sonstige Beschlüsse aufge­ nommen und zunehmend sind auch weitere Landtagstätigkeiten er- fasst,198 wobei diese Berichte zusammenhängende und die Hinter­ gründe einbeziehende Darstellungen über einen grösseren Zeitraum nicht ersetzen können. Ein Bild vom Landtag, das seiner historischen Entwicklung, seinen Aufgaben und Funktionen im Staat und seiner Tätigkeit entspricht, hat sich der Bevölkerung vor allem in den letz­ ten Jahrzehnten nur ungenügend mitgeteilt,199 wiewohl der Landtag gerade in neuerer Zeit als Kollegium wie durch seine Kommissionen und Delegationen bedeutende Aktivitäten entfaltet und vielleicht mehr als je seit den zwanziger Jahren in seiner Gesamtheit (demgegen­ über stehen die Fälle parteipolitischer Spaltung und Bindung infolge 198 Seit 1975 (d. h. erstmals Rechenschaftsbericht für das Jahr 1974) wird dieser u. a. auch die Landtagsgeschäfte enthaltende Regierungsbericht vor Genehmi­ gung durch den Landtag von der Regierung alljährlich den liechtensteinischen Haushalten zugestellt. 199 Galt der Landtag im 19. Jahrhundert und bis 1918 primär als Repräsentant der liechtensteinischen Bevölkerung gegenüber einem nichtliechtensteinischen Landesverweser, so folgten in den zwanziger Jahren und nachher die grossen Auseinandersetzungen im Parlament. In den späten dreissiger Jahren trat diese öffentliche Debatte zurück, nach der sog. politischen Befriedung 1938/39 (All- parteienregierung, Einführung des Verhältniswahlsystems sowie stille Landtags­ wahl aufgrund einer Einheitsliste, vgl. Dokumente 1938—78, 11 und 30) und wegen der äusseren Bedrohung, die während des Zweiten Weltkrieges im Inter­ esse der Staatserhaltung Zurückhaltung auferlegte und zugleich mit der Ertei­ lung ausserordentlicher Vollmachten an die Regierung (z. B. Verfassungs- Gesetz vom 2. 9. 1939 betr. Bevollmächtigung der Regierung zur Anordnung kriegswirtschaftlicher Massnahmen, LGBl. 1939/13) und der damaligen Bedeu­ tung der Geheimdiplomatie verständlicherweise eine starke Gewichtsverlagerung auf die Regierung mit sich brachte. Nicht ohne Auswirkungen auf das Image des Parlaments ist die Symbolsprache des Protokolls, das in gewissem Sinne die Hierarchie im Staat zum Ausdruck bringen soll. Nach Art. 85 der Verfassung geniesst der Regierungschef «bei öffentlichen Feierlichkeiten die dem Repräsentanten des Landesfürsten vor- schriftsgemäss zustehenden Vorzüge». Sofern dies protokollarischer Vorrang vor dem Landtagspräsidenten als dem Vertreter des Landtags bedeutet, steht diese Regelung in Disharmonie zum Verfassungsaufbau, wonach die Staatsge­ walt im Fürsten und im Volk (das seine Gewalt teils durch sein Repräsenta­ tionsorgan, den Landtag, ausübt) verankert ist. Die Regierung, vertreten durch den Regierungschef, ist nicht Funktionär des Fürsten, damit auch nicht sein Vertreter, wie es nach der Verfassung von 1862 (§§ 27ff.) der Fall war, son­ dern ist vom Landtag und vom Fürsten bestellt und beiden verantwortlich. In den konstitutionellen Monarchien heutiger Prägung gebührt dem Präsidenten der Volksvertretung bei öffentlichen Anlässen regelmässig der zweite Rang (nach der Krone) und bei Abwesenheit der Krone der erste Rang. Die in Liech­ tenstein teilweise noch gehandhabte protokollarische Folgeordnung reflektiert zu wenig die Stellung des Volkes, repräsentiert durch den Landtag. Aus dieser protokollarischen Gewichtung im Verhältnis Landtag-Regierung wiederum er­ geben sich Auswirkungen auf das Verhältnis Landtag-Volk, d. h. auf das An­ sehen des Landtags im Volk. 92
	        

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