Belgien, den Niederlanden, (früher) Österreich2"5, der Schweiz266. Gemeinsam ist allen ein stark segmentierter gesellschaftlicher Unter bau mit verschiedenen ethnischen, sprachlichen, religiösen, ideologi schen Subkulturen, die sich häufig, aber nicht immer in entsprechende politische Gruppen übersetzen. Die Segmentierung der Gesellschaft kann bis zur Spaltung oder Selbstzerstörung führen, wenn im Staat nicht alle Gruppen angemessen berücksichtigt werden (z. B. Zypern) oder wenn der Geist der Zusammenarbeit nachlässt (z. B. Libanon). «Das Leben mit Minderheiten gehört zu den wertvollsten, manchmal auch schwierigsten Erfahrungen — zur Staatskunst der Schweiz.» (Kurt Furgler) Mit Hilfe des Mehrheitsprinzips würden Minderheiten dauernd vom Einfluss im Staat ausgeschaltet. Konkordanz wird daher zum Kennzeichen solcher Staaten. Es muss sich über die politische Führung dieser Gruppen eine Mitbeteiligung aller Kräfte an der Re gierung einspielen, soll der Staat nicht auseinanderbrechen. So stehen wir vor dem Phänomen: Segmentierung und konkurrie rende Gruppen im gesellschaftlichen Unterbau verlangen Zusammen gehen und Konkordanz der politischen Führung. Relativ homogener gesellschaftlicher Unterbau, wie er im angloamerikanischen System festgestellt wurde, tendiert zu Rollentrennung im politischen Bereich, ruft nach Rollenautonomie der Parteien wie auch der Medien, im Interesse der Freiheit, des Wettbewerbs und der wechselseitigen Kon trolle. Neben den vorgenannten grundlegenden Zwängen zur Konkordanz kann es auch rechtliche und institutionelle Zwange geben, die aber häufig nichts anderes als Ausdruck — Erfordernis und Berücksichti gung — derselben politischen Kultur sind. So darf nach Art. 96 der schweizerischen Bundesverfassung aus dem nämlichen Kanton nicht mehr als ein Mitglied des Bundesrates gewählt werden; die Praxis kennt noch weitergehende Rücksichtnahmen. Es besteht neben dem durchproportionalisierten Nationalrat auch ein Ständerat mit Veto recht, in welchem Minderheiten besser berücksichtigt sind. Ähnliches 288 In den österreichischen Bundesländern (ausgenommen Vorarlberg) ist die propor tionale Beteiligung aller Parlamentsparteien verfassungsrechtlich verankert (AI1- parteienregierungen). In Vorarlberg besteht eine Allparteienregierung, ohne dass die Verfassung eine Proporzbestimmung enthält. Vgl. Adamovich, 268ff.; Axel Vulpius, Die Allparteienregierung, Frankfurt a. M. 1957, 69. tM Vgl. bes. Jürg Steiner, Gewaltlose Politik und kulturelle Vielfalt. 136