Volltext: Zur heutigen Lage des liechtensteinischen Parlaments

mentritt des neuen Bundestages» (GG 39 Abs. 1, Satz 1 und 2). In der Begrün­ dung der Enquete-Kommission zur Verfassungsreform (vgl. Zur Sache 3/76, 95 ff) heisst es u. a.: «Das Grundgesetz nennt den Bundestag als erstes der obersten Verfassungs­ organe und stattet ihn, entsprechend seiner Legitimation durch unmittelbare demokratische Wahlen, mit den zentralen politischen Entscheidungsbefugnissen aus. Gleichwohl folgt seine rechtliche Einordnung in den organisatorischen Staatsaufbau, insbesondere in seinem Verhältnis zur Regierung, noch weit­ gehend den Vorbildern des monarchisch-konstitutionellen Staatsrechts. Im kon­ stitutionellen Staat wurde das Parlament in einen bereits ausgeformten organi­ satorischen Staatsbau eingefügt, der ganz von der Exekutive her geprägt und konzipiert war: ein System von ständigen Organen und Ämtern mit bestimm­ ten zugewiesenen Tätigkeitskreisen, das letztlich auf den Monarchen als Spitze der Exekutive — wie des Staates insgesamt — bezogen war und von dort seinen Ausgang nahm. Diese Einfügung konnte nur unvollkommen gelingen, weil das Parlament einem anderen Legitimations- und Konstruktionsprinzip folgt als der exekutivisch konzipierte und bereits .fertige' Staatsbau. Die Unzulänglichkeit zeigte sich einmal an der rechtlichen Qualifizierung des Parlaments und der parlamentarischen Geschäftsordnung. Das Parlament wurde — und wird vielfacn auch heute noch, obwohl integrierender Teil der staat­ lichen Organisation — als ,Körperschaft' qualifiziert, seine Geschäftsordnung als »autonome Satzung', obwohl es gerade zum Kennzeichen beider Begriffe ehört, dass sie eine nicht unmittelbar staatliche Institution bzw. Rechtssetzungs- efugnis bezeichnen. In dem vom exekutivischen Staatsbau abgezogenen organi­ sationsrechtlichen Begriffssystem fehlte für das Parlament und seine Geschäfts­ ordnungsgewalt eine geeignete rechtliche Kategorie. Zum andern wurde — und wird — die Unzulänglichkeit in besonderer Weise am Institut der Parlaments­ auflösung deutlich. Der Monarch konnte mit Hilfe der Auflösung nicht nur die Arbeit eines Parlaments, das sich seinen politischen Vorstellungen versagte, beenden, das Parlament galt darüber hinaus als rechtlich nicht (mehr) vorhan­ den, während der übrige (exekutivische) Staatsbau fortbestand und sich damit als der .eigentliche' Staat erwies. Auch im Grundgesetz war, wie die früheren Artikel 45, 45a Abs. 1 Satz 2 und 49 zeigten, der Bundestag noch als ein nicht notwendigerweise ständiges Organ vorausgesetzt, das mit seiner Auflösung oder dem Ende der Wahlperiode (Legislaturperiode) an sich erlosch, dann aber in gewissen Restfunktionen (Ständiger Ausschuss, Ausschüsse für Verteidigung und auswärtige Angelegenheiten, auch Präsidium) noch fortbestand. ... Für einen organisatorischen Staatsbau, der vom demokratisch-parlamentarischen Prinzip her gestaltet und geprägt ist, hat demgegenüber das Parlament die Stellung des zentralen staatlichen Organs. Das Parlament ist, sofern es keinen volksgewähl- ten Präsidenten gibt, der Legitimationsspender für die gesamte weitere staat­ liche Organisation, es vermittelt sie vom Staatsträger her und gibt sie an die Organe der Exekutive und Judikative weiter. Es kommt nicht zu einem bereits fertigen Staatsbau hinzu, sondern konstituiert diesen, demokratisch gesehen, kraft seiner Funktion als verfassungsrechtliches Zentralorgan. Das Parlament muss daher notwendigerweise ein immer vorhandenes Organ sein; seine Existenz kann nicht ausgesetzt oder unterbrochen werden, ohne dass der gesamte organi­ satorische Staatsbau demokratisch ohne Legitimation bleibt. Ein demokratischer Staat ohne ein stets verfügbares Verfassungsorgan Parlament wäre nicht voll­ gültig verfasst.» Die vorstehenden Ausführungen erleichtern es, die Position des liechtensteini­ schen Parlaments im liechtensteinischen Staatsgefüge einigermassen zu bestim­ men. Das Bild, das von der deutschen Enquete-Kommission von der konstitu­ tionellen Monarchie gezeichnet ist, passt eher für den liechtensteinischen Staat ab 1862. Nach der Verfassung von 1862 vereinigt das Staatsoberhaupt «in sich alle Rechte der Staatsgewalt» (§ 2 Abs. 1), und die «in der Hand des Fürsten liegende Regierungsgewalt wird nach Massgabe der Bestimmungen dieser Ver­ fassung durch verantwortliche Staatsdiener (Landesverweser und Gerichtsbe­ hörden) ausgeübt werden, welche der Landesfürst (allein) ernennt» (§ 27). Der 106
	        

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