Volltext: Ein Spaziergang durch das kleinste deutsche Land

„drei Schwestern“ , an deren Namen der Volksmund folgendes Schlimmsten bereits Reißaus genommen. Nur Einer hatte sich 
Märchen geknüpft hat. niht aus dem Staube machen können. So ward er denn fest- 
E83 war an einem Liebfrauentage, als drei Schwesterhen genommen und unter Lärm und Trommelschlag zum Lande hin- 
an jenem Berg hinanstiegen, um Erdbeeren zu pflücken. Als sie ausbegleitet. Bei jedem Brunnen, an dem der Zug vorbeikam, 
bereits ihre Körbchen gefüllt hatten, begab es sich, daß gerade mußte der Verfehmte zum Abschiede einen Sc<hlu> trinken und 
Unsere liebe Frau über die Alpen ging und die Kinder um einige endlich an der Grenze seiner Begleitschaft schriftlich danken für 
Beeren bat. Diese aber weigerten sich, da sie die Frau nicht die ihm zu Theil gewordene noble Behandlung und zugleich 
kannten. Da erhob die - Unbekannte ihre Hand und sprach: erklären, nie mehr in das Land zurückkehren zu wollen. Dann 
„Weh Euch, daß Eure Kindesherzen so hart gegen mich gewesen ging der Landsturm ruhig wieder nach Hause. 
sind! Fürder sollt Ihr Steine sein in Ewigkeit.“ Sogleich Die Regierungsform in Liechtenstein ist constitutionell. Das 
wurden die drei Schwestern in Felsen verwandelt =- als dauernde Volk ist vertreten durc<h den Landtag, zu dem auch die Geistlich- 
Mahnung für Alle, die harten Herzens sind. keit Zutritt hat. Das Klima ist für das Wuchern des LiberaliSs- 
In diesem Thale kämpften am Charsamstage 1799 die mus nicht günstig, welcher nur-vereinzelnte kümmerliche Spröß- 
Franzosen unter General Massenä gegen die Oesterreicher, von linge treibt. 
venen se auch mit blutigen Köpfen zurückgeschlagen wurden, wie Wie in der Politik, ist der Liechtensteiner auch in seinem 
ein bescheidenes Denkmal bezeugt, das den „treuen Söhnen des Privatleben einfach und bescheiden. Aerbau und Viehzucht 
Vaterlandes“ auf dem Kapfhügel errichtet ist. sind die Haupt - Erwerbs8quellen. Dem Ackerbau liegt fast aus- 
Scellenberg gegenüber auf der anderen Seite des Rheines schließlich das weibliche, der Viehzucht aber das männliche Ge- 
liegt» das Gebiet der einstigen Herrschaft Hohensax. Der Frei- schlec<ht ob. Der junge Bursche, der „Bub“, muß im Frühling 
herr Ulrich Philipp von Hohensax war: der Reformator seines hinaus in die Fremde, um als Maurer oder Zimmermann bis 
Candes. Er war ein wilder Krieger und glaubte auch auf dem zur „Kilbi“ (Kirchweih im November) eine Summe zu ver- 
BSebiete der Gotte8gelehrtheit die Logik der Hellebarden anwenden dienen, die er bei seiner Ankunft dem glücklichen Vater in die 
zu dürfen. In der Schlacht bei Cerisoles (1544) in Piemont Hand drückt. 
verlor er den gewältigen Kropf, der ihn verunstaltete. Der Unterdessen besorgt der Alte daheim das Hauswesen. Wenn 
Kropf wurde nämlich von einer feindlichen Lanze getroffen und er des Abends sein Tagewerk vollendet hat, zündet er sein Pfeif- 
so durchstochen, daß er ausrann und -- zum geringen Bedauern <en an, sucht die Holzschuhe unter dem Ofen hervor und stolpert 
seines biSherigen Trägers =- verschwand. zur Thür hinaus nach einem bestimmten Plaße, wo auf einigen 
Die Häuser. dieser Dorfgemeinden liegen an der- Berghalde Balken bereits einige seiner Nachbarn mit brennender Pfeife zu 
bis in's Toggenburg ausgestreut. Der Ausbli> hinüber am ernster Berathung sich niedergelassen haben. Da wird nun in 
Abend, wenn bei der Dämmerung all die tausend Lichter herüber- höchst gemüthlicher Weise zu Gericht gesessen über das Wetter, 
flimmern, ist zauberhaft und macht den Eindru> einer großartigen, über das liebe Vieh, ja sogar über politische Fragen, um welche 
nächtlich beleuchteten Stadt unter dem steilen Felsenhaupte des sich der Liechtensteiner lebhaft interessirt. Da kommen oft recht 
Kamor, an welchem die Wellen des Rheines stillmelan<olis< originelle und interessante Anschauungen zu Tage =- und mancher 
vorüberziehen. große Herr würde, wenn sie zur Verwirklichung kämen, ein saures 
* So hätten wir das Thalgebiet des JFürstenthums Liechtenstein Gesicht schneiden. Im Winter aber, wenn die Sitzung im Freien 
durchwandert. Den größeren Theil seines Gebietes bilden die unmöglich ist, kommen die Leute an eines Nachbars Ofen zu- 
Alpen, auf denen während des Sommers die Heerden weiden sammen, wo, während die Hausfrau das Spinnrad treibt, in 
und die mit dem Thale zur Hebung der Land- und Alpenwirth- Wolken von Tabaksrauch Geschichten aus alter Zeit zum Besten 
schaft durch künstliche Straßen in Verbindung gebracht sind. gegeben oder neue Feldzugspläne gegen den „Vater Rhein“ ent- 
Nun noch etwas von dem Volke selbst. Ernst und Ruhe, worfen werden, bis der Schlaf ihnen auf die Augenlider drückt 
intellektuelle Begabung, verbunden mit Gemüthlichkeit und Wit, und sie zum- Heimgehen nöthigt. = 
hilden das Gepräge des liechtensteinischen Volks<harakters. Der So entwielt sich das Leben dieses kleinen Völk<hens still 
Liechtensteiner ist konservativ in Politik und Religion. Mit aller und glücklich, in schöner Harmonie mit der Natur und Lage seines 
Treue hängt er an der katholischen Kirche, sowie. aun seinem Landes, Wir aber erfennen daraus die unumstößliche Wahrheit, 
Fürstenhause. Dabei aber wacht er eifersüchtig über seine er- daß politische Größe und Waffenmacht das Glü> des Volkes 
erbten Rechte und Freiheiten. Neuerungen sind ihm abhold und nicht bedingen. Drei Dinge, sagt P, Kaiser in seiner Geschichte 
gegen freinde Beeinflussung ist er mißtrauisch. Gerne achtet er des Fürstenthums Liechtenstein, scheinen vor Allem als wesentliche 
die Auktorität, aber Dru> und Verachtung kann er nicht ertragen. Grundlage eines <hristlich-civilisirten Staates der. Betrachtung und 
Originell gestaltete sich in diesem Lande die Revolution von 1848. Berücksichtigung werth: die Heiligkeit der, Familie als Grundlage 
Unter den Beamten zu Vaduz hatten sich schon längst einige aller Erziehung und wahrhaft menschlicher Entwicklung, die Heilig- 
ihrer Anmaßungen wegen bei „den dummen Bauern“ um alle keit des Besitzes als Bedingung aller Fortbildung. und Kultur 
Achtung gebracht. Eines schönen Morgens lärmte die Rebellion8= und endlich die Anerkennung, daß der Men'< ein Ebenbild Got- 
trommel auch in Liechtenstein. Bald waren um die Trommel einige tes ist, mithin eine Selbstbestimmung, einen Selbstzwe> hat, den 
Dußend Bauern versammelt, die freiheitslustig auf die Haupt- er nur in der Gesellschaft erreicht, und daß er nie ein Mittel 
stadt lo3marschirten. Der Landvogt, welchem die Bauern zuge- oder Werkzeug anderer Menschen sein und diese ihn nicht zu 
than waren, blieb verschont. Von den Gesuchten hatten die einem solc<en machen dürfen. 
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Auf der Flucht, oder Alles durch einen Ueberzieher. Racsdta und Mn ung 
Humoreske von Adolf Schirmer. 
(S<hluß.) 
Und der Flüchtling begann: Der Alte bemerkte die freudige Erregung des jungen Mannes. 
„Ach, Onkel, welchen Verlegenheiten hast Du mich ausgesetzt !“' Er schielte ihn von der Seite an und brummte barsch : 
„Du bereitest mir noh ärgere Fatalitäten durch Deine Hal8s- „Ia so --! Das werden wir uns denn doch noch überlegen.“ 
starrigkeit,“ sc<nob Rohrmann. „Aber warte nur -- gibst Du „Und das Ende davon wird sein," dachte Robert, „daß ich 
nicht na< , so = so suche ich mir einen anderen Erben =“ hier eingekerkert bleibe. I< muß scheinbar nachgeben, um Zeit 
„Mir liegt nichts am Geld =“ zu gewinnen.“ | 
„Und jage Dich zum Teufel!“ Er bedeckte die Stirn mit der Hand, sank auf dem Fauteuil 
„Wie2“ rief Robert erleichtert. „Du würdest das thun?“ zurück und hauchte mit gebrochener Stimme: „O mein Gott !“' 
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