Volltext: Ein Spaziergang durch das kleinste deutsche Land

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steht mit den Bewohnern dieses Thales auf sehr gespanntem ems kamen, deren hiesiges Erbe im Jahre 1712 durch Kauf in 
Fuße, und je enger sie fein Bett machen, desto wüthender schlägt die Hände des liechtensteinischen Fürstenhauses überging. 
ex aus, Der leßte Vertreter der Grafen von Montfort , welche die 
Auffallend ist auf den ersten Blik in die Runde die Menge Burg und Grafschaft Vaduz in Besitz hatten, war Bischof Hart- 
der Burgen an den Berghalden auf steilen Felsen. Theils sind mann I. von Chur, eine ritterliche Erscheinung. Der Unsitte 
sie noc< bewohnt, theils zerfallen. Ich zähle mindestens ein jener Zeit gemäß trug er ebenso gerne Harnisch und Panzer als 
Dutzend im Umfreise von kaum fünf Stunden: =- ein Beweis, den Hirtenstab. Aber troß seiner Tapferkeit, seines ritterlichen 
daß hier das Ritterleben und die Fehde in üppiger Blüthe ge- Sinnes und seiner Einsicht war, no< ehe sein in Fehden ergrautes 
standen haben muß. Und wirklich nur zu oft erscholl der wilde Haupt sich in's Grab senkte, sein väterliches Erbe in fremder Hand, 
Ruf der Fehden durch das sonst so friedliche Thal , verkümmerte Die Stammburg der Freiherren von Brandis, welche sein 
dem Landmann die Früchte seines Fleißes und häufte die Schulden- Erbe antraten, stand in dem berneris<hen Emmenthal, in der 
last der Herren derartig, daß sie sich schließlich genöthigt sahen, alten Landgräfschaft Burgund. Die Sage schreibt das frühe 
mit dem Volke zu paktiren und endlich von ihren Burgen nieder- Erlöschen dieses Hauses, sowie sein Wegziehen von der Stamm- 
zusteigen. burg einem Fluche zu, den ein Familienvater über dieses Ge- 
Man mag nun heut zu Tage über das alte Ritterthum mit schlecht aussprach. Als gerade Thauwetter einbrach „und die 
seinen Turnieren und Ritterspielen, mit seinen Fehden und Aben- Wasser anschwollen, fiel es einem Herrn von Brandis ein, dur< 
teuern urtheilen, wie's beliebt: =- eine kräftige, großartige Erschein- eine Jagd sich zu belustigen, und bot seine Leute dazu auf, 
ung war es immerhin. Selbst der Raubritter ist eine bei Wei- darunter den Herrschaftsmüller , welchem feine Frau eben ein 
tem noblere Gestalt, als gewisse moderne „Edlen“, die im Bör- Knäblein geboren hatte. Dem Müllerhause drohte om Wasser 
sen- und Gründerschwindel fremdes Gut erschleichen und sich zu die meiste Gefahr. Der bekümmerte Vater bat dringend, ihn 
diesem Behufe mit den Juden alliiren. vom Jagddienst unter diesen Umständen zu befreien. Z Unerbittlich 
i | : - blieb der Herr. Als der Müller von der Jagd zurüfkehrte und 
In der Entfernung zweier Stunden liegt Vaduz, die yon der Anhöhe oberhalb seiner Mühle das Haus fortgeschwemmt 
Hauptstadt von Liechtenstein. | und Weib und Kind in den Fluthen rettungslos verloren sah, 
Der Weg dahin führt an einer Bergschlu<t vorüber, in gerieth er in Verzweiflung und unter schrelichen Verwünschungen 
welche die strenge Volksjustiz Jene gebannt hat, die in der stürzte er sich in's Wasser, das ihm das Theuerste auf Erden 
Hexen-Verbrennungszeit das Denunziantengeschäft verwaltet haben. entrissen hatte. Von Stund an floh der Frieden aus der Burg 
Nicht gut genug für die Hölle, siken sie in diesem finstern Tobel Brandis und die Herren zogen hinweg aus dem Emmenthal nach 
stumm und starr an steinernen Tischen; denn ihr Herz war auch Chur-Rhätien und nahmen ihren Sitz auf der Burg Vaduz. 
hart wie Stein und unerbittlich, und ihr Lügenmund ist geschlossen Zur Zeit des Sc<wabenkrieges am Fastnacht5dienstag 1499 
immerdar. erstürmten die Eidgenossen die Burg, in welcher Ludwig von 
Vaduz, ein Marktfle>en von nicht viel über 1000 Ginwoh- Brandis ganz sorglos saß, ohne an der Spike seiner Mannen zu 
nern, an den'Fuß des Berges gelehnt, zählt der Merkwürdigkeiten streiten. „Und da es nicht anders mochte sein, ging derselbe auf 
wenige. Das, was dieser Ort ausschließlich besikt, ist die Eigen- Genade aus der Burg und nach Luzern in Gefangenschaft, 
schaft, die kleinste Hauptstadt der Welt zu sein. Als einst in während das Schloß geplündert und im Rauch zum Himmel ge- 
der Frankfurter Nationalversammlung auch ein Streit sich ent- schit wurde.“ Einige „gute Prasser“ waren, eingedenk des 
spann in der Wahl des Ortes, wo eine deutsche Nationäluniver- Fastnachtsdienstags , in den Keller gedrungen, betranken sich und 
sität gegründet werden sollte, brachte Einer Vaduz in Vorschlag lehnten au den Fässern, bis der Keller vorn einfiel und sie bei 
-- als die bescheidenste und anspruchsloseste der ungleichen Bundes- gutem Weine erstikten. So hatten sie des andern Tages einen 
schwestern. Nun, Lage und Natur ließen nichts zu wünschen Aschermittwoch in des Wortes voller Bedeutung. 
übrig. In frischer Gebirgsluft müßte auch das Licht der Wissen- Erst unter -den Grafen von Sulz erhob sich die Burg 
schaft reiner leuchten, als im Qualm der großen Städte. Indeß schöner aus ihren Trümmern wieder. Sie hat eine runde Ge- 
darf es die Vaduzer nicht verdrießen, von ven Bummeleien der stalt mit einem innern geräumigen Schloßhof. Der „Heiden- 
Musenstiefsöhne verschont geblieben zu sein, zumal ihr Reben- thurm“ steht noch nebst einigen gewaltigen Unterbauten. Die 
blut so begeisternd wirkt, daß dessen Wirkungen den guten Hauskapelle enthält einige alte Scnißereien und Gemälde, unter 
„Philistern“ viel Ungemach bereitet hätten. Denn der Wein =“ denen das Bild der hl. Ursula mit. ihren Jungfrauen am nfeisten 
diese Gottesgabe, welche des Menschen Herz erfreut = wächst Interesse bietet. 
an den Bergabhängen von Vaduz in vorzüglicher Güte. Ein großer Theil des Schlosses ist no< bewohnt und zu 
ein, aber sehenswerth ist die neue, in reinem gothischen einem Gasthause eingerichtet, wo der „Bocker“, ein trefflicher 
Eine Salt 2 wen Fi wahrhaft Ne sien Wein, ausgeschenkt wird. * Das Fremdenbuch daselbst enthält 
schenk des jekt regierenden Landesherrn Johann 11. großer und fleiner Namen gar viele und die mehr „oder minder 
| i - - gelungenen poetischen Produkte athmen durchgängig eine Gemüth- 
Ueber dem Flecken auf steiler Felsenwand steht das Schloß lichkeit, welche den Geist des Bockers und der ländlichen Frei- 
Vaduz, auc< Sc<loß Hohenliechtenstein genannt. (E35 stammt heitaluft nicht verkennen lassen. 
aus dem 9. Jahrhundert und soll der Sage nach seinen Ursprung Bis zum Jahre 1866 war hier auch die Kaserne für das 
einem Konrad von Werdenberg verdanken, der aus Rache gegen gandesheer , welches zur Zeit des deutschen Bundes 84 Mann 
seinen Bruder hier, Werdenberg gegenüber, einen mächtigen stark war. Nach der Sprengung des Bundes wurde diese 
; ine Burg erbaute und ihr den Namen Valdusch*), MMiritz . . . ararn 
Thurm und eine Durg i Sch*), Militärmacht entlassen. Seither lebt das Völkchen ohne Militär 
d. i. Süßthal, gab, woraus der Name Vaduz entstanden ist. und ohne Militärsteuern. Nur bei größeren kirchlichen Festlichkei- 
Mächtige und ruhmreiche Grafengeschlechter saßen auf dieser ten tritt die Bürgermiliz auf, gebildet-durch die ledigen Burschen 
Burg und beherrschten mit eiserner Faust das Volk dieser um- der Gemeinde. Diese Miliz hat in ihrer eigenen Uniform, bestehend 
liegenden Thalschaft. Mehr als 200 Jahre hauste hier der in weißen Hosen, schwarzem Ro> und schwarzem, mit Eichen- 
Montfort'sche Grafenstamm. Dann folgten 100 Jahre lang laub geschmückten Hute, ein originelles, wenn auch nicht sehr 
die Freiherren von Brandis, nach denen die schwäbischen Grafen kriegerisches Anssehen. 
von Sulz und endlich 100 Jahre lang die Grafen von Hohen- Wahrhaäftig , das sind ideale Zustände in unserer Zeit, wo 
die Soldatenjac>ke zum Idol geworden ist und der MilitariSmus 
*) Valdusch selbst ist wohl abzuleiten von Vallis dulois. D. R. die Völker verarmt! (S<<luß folgt.)
	        

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