Da jedoch die Rechtsgeschichte der Diözese Cur
für die C eschichte: und Entwickelung des heutigen Kantons
Graubünden grundlegend geworden ist und ihre verschie-
denen Bestandtheile mit einander in einem imnern Zu-
sammenhange stehen, bin ich genöthigt, auch die, ausser
dem Gau Curwalchen, zu derselben gehörig gewesenen und
noch heute ihr und dem Kanton Graubünden grösstentheils
angehörenden, meist doch alträtischen Landschaften Misox,
Bergeil, Poschiavo, U nterengadin, Münsterthal,
Vinstgau, Bormio, so wie, theilweise, Cläven in den
Bereich meiner Betrachtungen zu ziehen,
Zum Voraus wird es jedoch, zu desto besserer Orien-
tirung der mit der Rechtsgeschichte weniger Vertrauten,
nicht überflüssig sein, an einige historische Thatsachen, an
welche die Feudalzeit hauptsächlich anknüpft, zu erinnern,
nämlich:
1) Die den Gauen vorgesetzten Grafen der karolingi-
schen V-rfassung waren abberufbare königliche Be-
amte, welchen hauptsächlich die Rechtspflege, die Er-
hebung der königlichen Gefälle (so weit solche nicht be-
sondern Beamten übertragen war) und die Aushebung und
Anführung der Kriegsmannschaft oblag. Im Uebrigen waren
die Gaue in Kreise, welchen Untergrafen oder Cente-
nare vorstanden, eingetheilt.
2) Die von den Grafen selbst (oder hiezu von ihnen
besonders Verordneten) geleiteten «..erichte konnten alle,
vor dieselben gebrachten Rechtssachen, welchen Belanges
immer, beurtheilen, während von der Kompetenz der Unter-
richt:r (Centenare) die mit dem Tode oder mit dem Ver-
lust der Freiheit bedrohten Verbrechen so_wie die, das
Eigenthum an Grund und Boden oder an Menschen
betreffenden Streitsachen ausgenommen waren, ‘') so dass
') Capit. Karoli M. a. 812. Ill. c. 4: < Ut nullus homo in placito
centenarli neque ad mortem neque ad libertatem suam amit-