Zweiter Abschnitt.
Die geistlichen Herrschaften.
Wie die deutsche Hörigkeit oder der leibeigene
Bauernstand, wenigstens in Rätien (wo die deutsche
Einwanderung erst spät begann und nur sehr allmälig und
friedlich erfolgte) meines Erachtens auf das römische K o-
lonat zurückzuführen ist‘), so ist auch, wie ich glaube,
in diesem der Keim der, schon im frühen Mittelalter auf-
tauchenden rrivilegirten Gerichtsbarkeit, beson-
ders der Bisthümer und Klöster, zu suchen.
Die-in dem römischen Reiche zur Zeit seines Verfalles
sehr verbreiteten Kolonen, d. h. an den ihnen zur Be-
bauung überlassenen Boden unauflöslich gebundenen Bauern,
welche in ihrer rechtlichen Stellung der spätern deutschen
Hörigkeit als Vorbild gedient zu haben scheinen oder auch,
nur den Lierrn-wechselnd, nach Untergang des römischen
Reiches den Eroberern zufielen, waren nämlich insofern einer
Privatyerichtsbarkeit ihrer Herren unterworfen, als
diese allein über ihre Person und ihre Habe richteten und
' 4\ Zufolge des Testamentes des Bischofs Tello (766) gab es schon
im VIL. Jahrhundert im Vorderrheinthal, in welches die deutsche
Einwanderung noch gar nicht begonnen hatte, Leibeigene (Planta,
d. alte Rätien, Beil. V).