Es leuchtet ein, dass diese paralellen Gewalten nicht
immer friedlich nebeneinander bestehen konnten. So lange
indess der Bischof von Cur an Macht und Ansehen dem
Grafen von Tirol ebenbürtig war, ja ihn überragte,!) scheint
der Friede nicht ernstlich gestört worden /zu sein. Dieses
Wohlvernehmen änderte sich aber bald nachdem die Graf-
schaft Tirol (1363) an das Haus Oesterreich übergegangen
war, welches von dem Bestreben beseelt war, die gesammte
auf seinem Staatsgebiet lebende Bevölkerung seiner Souve-
ränität zu unterwerfen. Und es mochte ihm dies hier um
so eher gelingen als der Bischof, wie es scheint, niemals
einen ernstlichen Versuch machte, im Vinstgau, ausser für
Nauders, Territorialherrlichkeit und darauf gegrün-
dete Hoheitsrechte anzusprechen. *)
Als unzweifelhafter Eingriff in die bischöflichen Immu-
nitätsrechte muss vorab bezeichnet werden, dass die Gottes-
hausleute zu Nauders (neunzehn « Geschlechter ») im X.
Jahrhundert gewaltsam dem Gotteshausrichter zu Mals
entzogen und dem Österreichischen Pfleger zu Nauders
unterworfen wurden, was indess durch den schon mit Rück-
sicht auf das Unterengadin erwähnten Spruch von 1471 %)
gutgeheissen und später auch vom Bischof (1519) zugestan-
den wurde, *‘) obwohl dieser gerade mit Bezug auf Nauders
in den erwähnten Diplomen von Karl IV. (1348) und Kaiser
Sigmund (1418) Rechtstitel sogar für Territorial- und Lan-
deshoheit in Händen hatte und der Umstand, dass die Seen
1) Als Inhaber verschiedener bischöflicher Lehen waren die Gra-
fen von Tırol dem Bischof ausdrücklich als Vasallen verpflichtet
(Urk. v. 1228 in Mohr, Cod. I. n. 200).
2) « ... des Gotzhus von Chur lüt, die in der herschaft von
Oesterreich land, grund und poden gesessen sint» (Münster-
thaler Offnung von 1427 in Foffa, Münsterth., Urk. 43). Vgl.
Campell, I. c. 35 («diese Gegend, obgleich österreichischer Grund
und Boden») und Sprecher, Pallas R. S. 345.
3) Burklechner, Raetia A., S. 120.
‘) Jäger, Regesten S. 36 (Urk. im Archiv Curburg).
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