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Unerwarteter Weise kam im verflossenen Jahre beim Abbrechen einer Mauer in dem Garten des
ebengenannten Hauses ein Stück dieser Säule und auf derselben die letzte Zeile obiger Inschrift
SO AVCANA
V.- FEC +
zum Vorschein, wodurch alle Zweifel an der Aechtheit der von Ott publicirten Inschrift gehoben sind.
Die schlanke aus Juramarmor verfertigte Säule von 26 — 28 Centimeter Durchmesser stand ohne
allen Zweifel hinter einem Altare, und bildete das Postament eines ehernen Geniusbildes. Ein ähn-
liches Monument bemerkt man am Triumphbogen des Trajan. (Siehe Rich, Dietionnaire des antiquites
unter ara.) Aus dem Umstande, dass in der Dedication auch der Name der Gemahlin des Stifters
vorkommt und dass somit das Denkmal keinen öffentlichen Charakter hat, scheint hervorzugehen,
dass wir uns unter den Gebäuden auf dem Schatzbuck ein Privatbesitzthum, eine bequem eingerichtete
und schön ausgestattete Villa auf einem Landgute (predium) des P. Graccius Paternus zu denken
haben. Merkwürdig ist, dass die gleichen zwei Personen durch testamentliche Verfügung einen Altar
mit ganz ähnlicher Inschrift in der Nähe von Avenches, zu Münchwyler, errichten liessen. Die Familie
Paternus gehört zu den angesehenen im Lande der Helvetier und wird mehrmals auf Denkmälern
genannt. Ein Glied derselben war Patron der Gemeinde Genf, ein anderes hat :als Duovir von
Aventicum den Durchbruch bei Pierre Pertuis ausführen lassen.
Aus dieser Inschrift ergibt sich eine für die älteste Eintheilung des Landes merkwürdige That-
sache, dass der Gau der Tigoriner, des mächtigsten Stammes unter den Helvetiern, sich von. Ost
nach West über den ebneren und bevölkertesten Theil des Landes erstreckte.
Knonau, Nördlich von den Häusern auf Baregg sind auf einer Anhöhe, Lachen genannt, die
eine prachtvolle Aussicht nach dem Hochgebirge darbietet, ein Paar Morgen Landes mit Dachziegel-
fragmenten bestreut. An verschiedenen Punkten birgt der Boden Gemäuer. An einer Stelle’ sind die
Scheidemauern‘ einer in mehrere kleine Räume eingetheilten Wohnung aufgedeckt worden. In dem
Schutte, der die Gemächer bedeckt, kommen Scherben von Töpfergeschirr, Eisengeräthe, Münzen etc.
vor. Ein gegenwärtig verschütteter Sodbrunnen lieferte der Ansiedelung Trinkwasser. Die Baregg
ist eine Stunde vom Zugersee entfernt und eine der dem Gebirge am nächsten liegenden Ansiedelungen.
Lunnern, Die römische Ansiedelung zu Lunnern !), deren Entdeckung im Jahre 1741 unter den
schweizerischen Gelehrten bedeutendes Aufsehen erregte, dehnt sich über ein mehrere Morgen grosses
Feld aus, das von dem Ufer der Reuss sanft nach einer Anhöhe emporsteigt. Man geniesst von dieser
aus eine freie Aussicht über ein weites fruchtbares Thal und das nahe Hochgebirge. Von den Gebäu-
lichkeiten, welche theils unmittelbar am Flusse, theils einige hundert Schritte davon auf der Ebene
standen, wurden in dem genannten Jahre unter Leitung des damaligen Landvogtes von Knonau,
!) Die Alterthümer von Lunnern sind ausführlich beschrieben in einer Schrift von Professor Breitinger, betitelt:
»Zuverlässige Nachricht und Untersuchung von dem Alterthum der Stadt Zürich und von einer neuen Entdeckung merk-
würdiger Antiquitäten einer bisher unbekannten Stadt in der Herrschaft Knonau. Zürich 1741.« Ferner in einer Schrift
von Georg Sulzer, damaligem Pfarrvikar zu Maschwanden, nachmals bekannt als Verfasser der Theorie der schönen Künste,
betitelt: »Ausführliche Beschreibung einer merkwürdigen Entdeckung verschiedener Antiquitäten in dem in der Herrschaft
Knonau gelegenen Dorfe Nieder-Lunnern im Jahr 1741«. Zu dieser Schrift ist später ein Anhang erschienen. der über
den Fund des Goldschmuckes (siehe Bd. IL unserer Mittheilungen ) berichtet.