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Aber kein Reiz der Landschaft, weder die Kunstwerke
no< die geschichtlihen Erinnerungen vermochten die Seele
der Frau zu erheitern und sie versenkte sich immer mehr
in die Einsamkeit und in die Lectüre. Sie las damals die ge-
schic<htlihen Werke von Bossuet, Rollin, Pufendorf, die Me-
moiren des Sully, die persischen Briefe von Montesquieu, die
Reden von Bourdaloue und Massilon u. a. Sie schöpfte daraus
nicht nur neues Erkennen und Wissen, sondern ebensoviel Trost
und Erquieung für ihr bedrängtes Herz, und sie bedurfte des
Trostes, des Muthes, wie der Resignation. Zu derselben
Zeit, in welcher sie ihrer Schwester wegen Odonell so ver-
ständnißinnige Briefe schrieb, war ihr eigenes Herz voll
Kummer, Scam und Verzweiflung, denn der Mann, den
sie über alles liebte, schien in seiner Treue und Ehrlichkeit
zu schwanken. Die Gräfin hatte bereits im Herbst 1766
von verschiedenen Leuten Andeutungen erhalten, daß ihr Gatte
eine Liebschaft mit der launenhaften und galanten Sängerin
Katharina Gabrieli unterhalte, sie wollte jedoch nicht daran
glauben. Sie wurde erst aufmerksam, als sie eines Tages
dem Herzog von Braunschweig zu Ehren ein Concert geben
wollte und ihr Mann so entschieden widersprac<. Denselben
Abend war sie mit dem Herzog in der Oper und als die
Gabrieli ausgezeichnet sang, meinte dieser, er würde sie gerne
in einem Salon singen hören, wüßte aber nicht wo, weil sie
zu Niemanden gehe. Die Gräfin erwiederte, sie werde die
Sängerin gerne bei sich sehen, wenn einer ihrer Freunde sie
dazu bereden wollte. Do-r Herzog sprac<ß mit der Gabrieli
und diese ließ eine ehrerbietige Antwort melden. Am näch-
sten Abend hörten sie in einem Concerte bei Tanucci die
Marianne Amicis singen, welche längere Zeit in der Wiener