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thums in Frankreich, an die kühnen Reden im Pariser Par-
lamente und an den Ruf nach Generalständen. Oesterreich
hat eine so eigenthümlihe Zusammenseßung, daß von jeher
alle europäishen Bewegungen zum Guten und Sclimmen
auf dasselve eingewirkt haben. Die Bedingungen seines
staatlichen Lebens lagen nicht allein in seiner inneren Ent-
wilung, sondern vielmehr in den äußeren Verhältnissen und
namentlich in der Stellung zu Deutschland, aus dem es zur
Macht und Größe erwachsen war. So sind auch die JZose-
phinischen Bestrebungen nicht so sehr durch die innere Gäh-
rung, als durch die ungünstige äußere Politik zum Falle ge-
kommen.
Zoseph wußte sehr wohl, daß die Volksbewegung in
den Niederlanden von den heimischen demokratischen und
fir<lihen Elementen genährt und von Rom, Berlin und
Paris aus unterstüßt wurde. Daher hatte er schon 1787
an seinen Bruder Leopold geschrieben, daß er nicht zurück-
weichen werde und wenn er den Tod vor Augen habe. Er
entschied sich für die Gewalt und kam erst in's Schwanken,
als er krank darniederlag und die Fäden, welche die Bewe-
gung leiteten, niht zu durchschneiden vermochte. Er war
das russische Bündniß eingegangen, um die preußische Politik
zu isoliren und die russische im Oriente zu überwachen. Nur
ungern und auf das wiederholte Andrängen des Staats-
fanzlexs entschied er sich für den Krieg gegen die Türkei,
und nach dem ersten Schlage, sobald er die Gewißheit hatte,
daß Preußen zu Gunsten der Pforte interveniren wollte,
drängte er mit oder ohne Einverständniß des Bundesgenossen
zum Frieden. Wer seine Briefe von dem Kriegss<hauplate
im Sommer und Herbst 1788, sowie von seinem Schmerzens-