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Bei aller Zurühaltung und Unruhe zeigte Eleonore
doch ein lebhaftes Mitgefühl für alles, was den Kaiser be-
rührte und hatte auch alle Ursache dazu, denn er war ihr
wahrhaft ergeben und bei jeder Gelegenheit gefällig. Wie
oft schrieb sie ihrer Schwester '): „Der Kaiser ist in Wahr-
heit liebenswürdig, er ist immer gleich mit mir und bezeigt
mir viel Güte; es ist s<wer, mit ihm zu leben, aber er ist
äußerst angenehm in Gesellschaft ; er ist ein durchaus eigen-
thümlicher Charakter, man muß Mitleid mit ihm haben, die
Umstände machen ihn so; Mutter und Sohn sind immer in
einem kleinen Kriege u. a.“ Niemals verweigerte er ihr eine
Gunst, wenn sie dieselbe in einer Gnadensache für einen
Geistlichen oder für eine arme Witwe in Anspruch nahm.
Als im Sommer 1772 mehrere österreichische Herren, wie de
Ligne, Zinzendorf das goldene Vließ erhalten sollten, machte
sie den Kaiser auf ihren Shwager Kaunitz aufmerksam.
Joseph ging sogleich darauf ein, schrieb seiner Mutter ein
Billet und Kaunitz erhielt den Orden. Der Kaiser meldete
es der Fürstin Eleonore sogleich in freundlichen Worten 2).
Niemand war darüber mehr erfreut als der Staatskanzler
Kaunitz; er schi>te seinem Sohne einen kostbaren Ordens-
sc<hmu> und seiner Schwiegertochter einen zärtlichen Brief,
der ihm sonst selten aus der Feder kam. Da Eleonore über
das Exil ihres Mannes klagte, war Zoseph auf alle Mittel
bedacht, ihn aus Preßburg wieder wegzubringen. Er ließ
1!) Eleonore an Leopoldine Kaunitz, 13., 16., 17. Juni 1772.
?) Vous tes Servie pour votre beau frere Kaunitz; c'est
malheurement la premiere occasion, j'espäre d'etre assez heureux
que ce ne pas la derniere de yous marquer ma Satisfaction 4 vous
obliger. 12. Juni 1772.
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