72 Joseph Bergmann. Beiträge zu einer kritischen Geschichte Vorarlbergs
Baron v. Hormayr sagt am angeführten Orte, Bd. I, 170, mit aller Bestimmtheit weiter: „Bald darauf
wurden Ulrich und sein Sohn Adalbert ihrer Grafschaften verlustig, weil sie auf des schwäbischen Her-
zogs Burkhard Seite wider K. Heinrich sich empört. An ihre Stelle trat Berthold von Scheyern,
Arnulf’s des Bösen Bruder.” Bekanntlich hatte Burkhard gegen den neuerwählten König im Anfange seiner
Regierung sich empört , aber um das Jahr 920 mit ihm sich wieder ausgesöhnt und fortan bis zu seinem
Tode (29. April 926) in friedlichen Verhältnissen gelebt. Erst am 3. November desselben Jahres 926 wird
ein Ulrich als Graf in Churrhätien urkundlich genannt (v. Mohr Nr. 41). Nun werden wir später
am 9. April 949 (Mohr Nr. 47) wieder einen Ulrich als Grafen von Churrhätien finden. Ob diese Ulriche
verschiedene Personen oder eine und dieselbe gewesen, wird aus Mangel an Urkunden kaum zu bestim-
men sein,
Sprecher von Bernegg sagt ferner in seiner Pallas Rhaetica p. 67, leider ohne Angabe seiner Quelle:
„Huldericus vero eandem (sc. Rhaeticam provinciam) anno 922 renuntiavit Bertholdo, consan-
qguineo Episcopi nostri Curiensis Valdonis” (von 914 — 949). Waldo war nach Eichhorn, S. 46, der
Schwester-Sohn des berühmten Konstanzer Bischofs Salomon, der angeblich dem Hause Ramschwag ange-
hörte, also thurgauischen oder churrhätischen ') Blutes war. Es müsste denn von väterlicher Seite Berthold
mit dem Bischofe blutsverwandt gewesen sein.
Berthold und sein älterer Bruder Arnulf der Böse, Herzog von Baiern, waren Söhne des in der
Schlacht mit den Magyaren bei Deben (unweit Pressburg) im Jahre 907 gefallenen Markgrafen Liutpold aus
dem Hause Scheyern, Arnulf war, wie Burkhard in Alemannien, anfangs (916) ein Gegner K. Konrad’s I.,
den zu bestehen er sich für stark genug hielt. Die Ostmark übergab er dem im Liede gefeierten Rüdiger
von Pechlarn, Kärnten dem Grafen Rathold von Sempt zu wahren, und stellte in einem Theile des heutigen
Tirol’s seinen Bruder Berthold auf. Im Westen hielt er sich für gedeckt durch die Macht der gleichfalls
dem Könige abgeneigten Grafen von Hohenrhätien und Thurgau ?). Diese waren Burkhard mit
seinem Anhang, und ohne Zweifel sein damals noch lebender Bruder Ulrich. Alle mussten sich, wie
bekannt ist, dem Glücke und den Streitkräften des Herrschers unterwerfen und gehorchen. Doch um diese
Zeit, als Berthold Graf in einem Theile des heutigen Tirols war, will ja Baron von Hormayvr Ulrichen
als Grafen’in Churrhätien wissen.
Arnulf mit dem Könige (+ 19. October 918) ausgesöhnt, erhielt wieder Baiern und regierte, auch
mit dem nachfolgenden König Heinrich I. erst feindlich dann freundlich, als Herzog bis zu seinem Tode
am 1%, Juli 837. Sein Bruder Berthold war Herzog in Kärnten, doch Baiern mit seinem Lande unter-
geordnet. Auf seine Moosburg hatte sich sein Bruder Arnulf vor K. Konrad I. geflüchtet. Dann ver-
waltete Berthold den Comitat im unteren Engadin und im Vinschgau, d. i. — wenn ich mich so aus-
drücken darf—im churrhätischen Tirol, das sich an der Etsch bis über Meran herab erstreckte. Wenig -
stens erscheint er in jenem Thale zum ersten Male in einer Urkunde ddo. Frankfurt am 9. April 930, kraft
welcher K. Heinrich der Kirche des heil. Florian zu Remüs die zu Sins etc. schenkt. Es heisst nämlich :
nos interventu venerabilis ac dilecti comitis Arnolfi®) quandam ecclesiam iuris nostri in valle Enia-
tina in comitatu Bertholdi comitis nostri in vico Sindes vocato cum decimis etc.—ad sanctum Flori-
num cujus corpus in vico Remusciae requieseit ete. in proprietatem donavimus (v. Mohr Nr. 42). Dem
Comitate desselben Berthold’s unterstand auch das Vinschgau, wie eine auf die Orte Mais und Kortsch
bezügliche Urkunde ddo. Quedlinburg am 14. April 931 bei v. Hormayr S. 170 bestätigt: Hoc est Majes
1) Welsch-Ramschwag, das nun in Trümmern liegt, war bei Nenzing zwei Stunden von Feldkirch. — Vgl. über Salomon’s Herkunft von
Arx I. 83.
?) Baron v. Freyberg’s Erzählungen aus der baierischen Geschichte. München 1844, II. 71.
)) Herzog Arnulf wird hier comes genannt. Da Arnulf für den Erbauer des Schlosses Scheyern gehalten wird, nannten sich seine Nach-
kommen Grafen von Scheyern (comites Schyrenses).