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Beiträge
zu einer kritischen Geschichte Vorarlbergs und der angrenzenden Gebiete,
besonders in der ältesten und älteren Zeit.
(Mit 1 Tafel.)
Von
Joseph Bergmann,
wirklichem Mitgliede der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
(Gelesen in mehreren Sitzungen der philosophisch-historischen Classe in den Jahren 1850 und 1851.)
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Einleitung. — Materiale zur Geschichte Vorarlbergs im In- und Auslande. Bibliotheca Tirolensis, Bibliotheca Mazetti
zu Trient, Schatzarchiv, — Tirolisches Münzwesen,
Ich erachte es für meine Pflicht der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften von meiner im Spät-
sommer 1849 nach Vorarlberg und Graubünden unternommenen Reise, zu der sie mir die nöthigen Mittel
geboten, Rechenschaft zu geben. Eine längere Krankheit hinderte mich an früherer Berichterstattung.
Eine Schilderung der wundervollen Naturschönheiten der von mir durchwanderten Thäler und Landschaften
wird Niemand von mir erwarten. Das geht über meine Kraft und liegt ausser meinem Bereich; auch haben
Beda Web er, Dr. Jakob Staffler, Dr. Ludwig Steub, August Lewald, AdolfSchaubach und Andere
Tirol und Vorarlberg *) von diesem Gesichtspunete mit seltener Meisterschaft beschrieben.
Meine Aufgabe war: an Ort und Stelle neue, bisher unbenützte Materialien zu sammeln zu einer
kritischen Geschichte der an Umfang geringen, und in ihren frühern Bestandtheilen vielgliederigen Herr-
schaften, die man jetzt zusammen — wegen ihrer Lage vor dem Arlberg — Vorarlberg nennt *).
Ist auch Vorarlberg das kleinste Ländchen, der 263 Theil *) des österreichischen Kaiserstaates, so ist
es doch durch seine militärische Lage und industrielle Betriebsamkeit von grosser Wichtigkeit. — Seine
Bewohner sind @) grösstentheils alemannischen Stammes, noch in grosser Reinheit im Bregenzerwalde,
besonders im innern; dann 6) Romanen (Rhätier) im Walgau und im Thale Montavon, die im Verkehr
und in Vermischung mit den Alemannen vor Jahrhunderten deutsch geworden sind, und c) Walliser
oder Walser, burgundischen Blutes. Vor etwa fünf Jahrhunderten wanderten Hirten und Holzarbeiter ein,
deren Nachkommen — dermals an 6400 Menschen — noch die beiden Walserthäler, Laterns und die gras-
reichen Höhen von Düns über den Ludescherberg und Laaz bis zum Muttersberge hin beweiden und bebauen.
Vorarlberg zählt nach Hain S. 113 in seinem dermaligen Umfange 46:08 Geviertmeilen mit 103.761
) Auch Gustav Schwab hat in seinem vielgelesenen Buche :, „Der Bodensee nebst dem Rheinthale von St. Luziensteig bis Rheinegg. Stuttgart und
Tübingen, 1827,” unser Vorarlbergisches Rheinthal in seinen Kreis gezogen.
Vgl. meine „geographische Skizze von Vorarlberg” in der Zeitschrift für die österr, Gymnasien, Wien 1850. S.176—188, Ich reihete in Kürze
die aus den Original-Urkunden geschöpfte chronologische Angabe der Erwerbung der einzelnen vorarlbergischen Herrschaften von Seite
Österreichs ein, zumal mehrere diesfällige Daten in älteren, neuen und neuesten Werken, wie in Ha in’s Handbuch der Statistik des
österr. Kaiserstaates, Wien 1852, S. 141, und in Rudolf Graf’s „die Entstehung der österr. Monarchie.’ Klagenfurt 1852, S. 8, irrig sind,
) Nach Hain, S. 103, hat die Monarchie 12,120.46 geographische Quadratmeilen.
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