Das Montafon. /
im Frattnertobel durch eine Lawinengalerie und einen Tunnel und
durch einen steten Wechsel fruchtbaumumschatteter Gehöfte in zwei
Stunden nach St. Gallenkirch, das am rechten Ufer der II auf dem
breiten, ebenmässigen, grün überwucherten Schuttkegel des Zamang-
baches ausgebreitet liegt. Mit seiner grossen Kirche schaut es reiz-
voll gegen die westlichen Berge, an denen der Vermiel- und der
Balbierbach brausende Stürze bilden.
Da öffnet sich rechtshin das Gargellental, eine echt hoch-
alpine und romantische Nebenkammer des Montafon. Aus ihr her-
vor schiumt der Suggodinbach in die LU. Über die Brücken der
beiden ungestümen Flüsse leitet ein schmaler Weg, den aber doch
ein Zweispännernästchen befährt, in die malerische Heimlichkeit
des Tales und ın seinen herrlichen Hochgebirgshintergrund, wo
das Dörfchen Garyellen eine bekannte Sommerfrische geworden ist.
Reizvolle Rückblicke auf St. Gallenkirch kürzen den Anfang des
dreistündigen Weg-s, der nur bis Reute etwas steil ist. Da steht
eine Kanelle, welche neun Montafonern gewidmet ist, die im Jahr
1817 in einer Lawine umgekommen sind. Romantisch windet sich der
Pfad durch Tannen, über Steinblöcke poltert der Bach, bald öffnet
sich das kleine Hochtal, um dessen Dörfchen die Herden weiden.
Trotz seiner Höhe von 1408 Meter soll Gargellen auch im Winter
nicht verlassen sein, überhaupt gilt sein Klima als verhältnismässig
mild. Auf einem Hügel über dem Kirchlein steht das umgebaute
und vergrösserte Hotel zur Madrisa und schaut in eine prächtige
Gebirgswelt. Königlich frei steigt der edle Felsbau des Madrisa,
2766 Meter, in den blauen Himmel empor, eine der schönsten Berg-
vestalten des Montafon, und linkshin, im Hintergrund des fichten-
reichen Tals erblickt man die Gebirgssenke des Schlappinerjochs wie
ein grosses Tor der Berge. Wie weit mag’s auf den nah er-
scheinenden Sattel sein? Immer noch drei Stunden, doch ist das
2200 Meter hohe Joch der bequemste und leichteste Übergang vom
Montafon ins Prättigau, und hat man es überstiegen, So erblickt
man bald das grosse Dorf Klosters, die Landschaft und den See
von Davos.
Eine Menge Sagen sind in dieser reichen Gebirgswelt zu Haus,
die Überlieferung bevölkert sie mit den Gestalten der riesengrossen
Wildleute, die, stark und körpergewandt, allerlei Wetter- und
Kräuterkenntnisse besitzen und Auskunft in vielen Krankheiten des
167