Verfassung vom 5. Oktober 1921
rechte grundsätzlich als Vorzug in einer neuen Verfassung an. Die
Volkspartei war die erste Partei Liechtensteins, gefolgt von der Bürger-
partei, die beide kurz nacheinander 1918 gegründet wurden. Die Bürger-
partei war die konservativere der beiden Parteien.!?
Noch bevor eine neue Verfassung ausgearbeitet war und in Kraft
trat, wurden bereits Volksabstimmungen durchgeführt. So wurde am
2. März 1919 über die Erhóhung der Zahl der Landtagsabgeordneten
von 12 auf 17 (wobei drei Abgeordnete weiterhin vom Landesfürsten
ernannt werden sollten) und die Senkung des Wahlrechtsalters von 24
auf 21 Jahre abgestimmt. Am 28. Màrz 1921 wurde ferner eine Volksab-
stimmung über den Verbleib von Hofrat Dr. Josef Peer auf dem Posten
des Regierungsverwesers durchgeführt.!® Die verfassungsrechtliche
Grundlage wurde indes erst mit der neuen Verfassung vom 5. Oktober
1921 geschaffen.
Auftrieb hatte die Einführung direktdemokratischer Instrumente
unter anderem durch eine Kasino-Debatte 1919 erhalten. In einem
Bericht eines «Zuhörers» der Landtagssitzung vom 11. Oktober 1919
wird die Debatte geschildert.!** Offenbar waren viele Zuhörer zugegen,
die sich insbesondere für die Diskussion über ein Angebot einer franzó-
sisch-schweizerischen Hotel- und Kasino-Gesellschaft zur Betreibung
eines. Kasino-Hotels interessierten. Landesverweser Prinz Karl, der
fürstliche Abgeordnete Kanonikus Büchel95 und weitere Abgeordnete
zeigten sich in dieser Sitzung, in welcher es noch nicht um einen Kon-
zessionsentscheid ging, ablehnend, wahrend Vertreter der Volkspartei
131 Quaderer-Vogt (2014, Bd. 2, S. 255) erwáhnt den entsprechenden Kommentar im
Liechtensteiner Volksblatt vom 8. September 1920, wonach der Autor die vorgese-
hene Möglichkeit der Volksabstimmung im Verfassungsentwurf von Prinz Karl lobte.
132 Zu den Parteigründungen Quaderer-Vogt 2014, Bd. 2, S. 13-70; Michalsky 1990. Ein
Abriss der Parteiengeschichte auch bei Marxer 2006b, 2015. Zur Volkspartei Qua-
derer 1996b. Zur Bürgerpartei Kaiser 1988; Wehn und Gôrich 1978.
133 Quaderer 1996b, S. 97; Quaderer-Vogt 2014, Bd. 2, S. 281—287, 586. LI LA RE
1921/0968; SF 01/1921/035. Zur Person von Josef Peer siehe Rupert Quaderer,
«Peer, Josef», in: HLFL, S. 696f.
134 Oberrheinische Nachrichten vom 15. Oktober 1919, S. 1.
135 Kanonikus Johann Baptist Büchel wurde bei den Landtagswahlen 1918 als einer von
drei fürstlichen Abgeordneten bestimmt. Er war bereits 1890 bis 1906 Abgeordneter
gewesen. Er legte am 29. April 1920 sein Mandat nieder (Vogt 1987, S. 152, 203). Zur
Person von Johann Baptist Büchel siehe auch Karl Heinz Burmeister, «Büchel,
Johann Baptist», in: HLFL, S. 124f.
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