Volltext: Direkte Demokratie in Liechtenstein

Praxis der direkten Demokratie 
6.5.1 Eliten- bzw. Parteienorientierung 
Im Vergleich der Abstimmungsempfehlungen von Parteien und dem tat- 
sächlichen Ausgang von Volksabstimmungen lassen sich sehr spezifische 
Differenzen zwischen der politischen Elite und der Basis ablesen. Wenn 
die politische Elite die Meinung der Stimmberechtigten repräsentiert, 
müsste theoretisch jede Volksabstimmung im Sinne der mehrheitlichen 
Entscheidung im Landtag bzw. anderer zur Elite zu zählender Vertreter 
wie etwa Parteien, Wirtschaftsverbände oder Medien ausgehen.57 
Die Elitenorientierung der Stimmberechtigten kann überprüft 
werden, indem die Empfehlungen der Parteien vor Volksabstimmungen 
mit dem tatsächlichen Ergebnis in Volksabstimmungen verglichen wer- 
den.58 Zu diesem Zweck wird die Abstimmungskommunikation im 
587 Siehe hierzu für die Schweiz Hermann und Leuthold 2007; Kissau und Rosset 2010; 
Hermann 2014. Schommer (2014, S. 162) resümiert, dass für schweizerische Parteien 
Abstimmungskampagnen zunehmend nur noch attraktiv sind, wenn sie starke Pro- 
filierungsmöglichkeiten (Visibilität) bieten, in der Logik anstehender kantonaler 
oder nationaler Wahlkampagnen stehen oder zusätzliche finanzielle Ressourcen ge- 
nerieren. Zum Verhältnis von Parteien zur direkten Demokratie auch Budge 2001. 
Hermann und Leuthold (2007) stellten fest, dass insbesondere in Fragen der Einstel- 
lung gegenüber Fremden, der aussenpolitischen Öffnung und der Liberalisierung 
der Wirtschaft das Stimmverhalten des Volkes und des nationalen Parlaments um 
20 Prozentpunkte abweichen und damit stärkere Abweichungen zeigen als alle re- 
gionalen Gräben. 
588 Wagschal (2007) untersuchte den Einfluss von Abstimmungsparolen bei Volksab- 
stimmungen im Zeitraum von 1950 bis 2005 in der Schweiz und konnte einen ein- 
deutigen Effekt der Parolen nachweisen. Als besonders erfolgreich erwiesen sich die 
Empfehlungen der Mitteparteien sowie der Wirtschaftsverbände. Die Geschlossen- 
heit des bürgerlichen Lagers ist ein besonders wichtiger Faktor. Ferner zeigt es sich, 
dass die Wähler in rund zwei Dritteln der Fälle den Parolen ihrer Parteien folgten 
(Wagschal 2007, S. 325). Die Wähler der konservativen Parteien folgten ihren Par- 
teien überdurchschnittlich bei Nein-Empfehlungen (Status-quo-Orientierung), die 
Wähler der Linksparteien und der Grünen folgten ihren Parteien überdurchschnitt- 
lich bei Ja-Parolen (Veränderungsorientierung). Portmann (2014) sucht in seiner 
Dissertation nach Erklärungen für die Differenzen zwischen dem Abstimmungsver- 
halten von Parlamentsmitgliedern und dem Stimmverhalten des Volkes bei fakulta- 
tiven Referenden. Die von ihm verwendeten Daten zeigen, dass das Abstimmungs- 
verhalten der Ständeräte in 68 Prozent aller Abstimmungen mit der Mehrheit in den 
jeweils betreffenden Kantonen übereinstimmte. Da Ständeräte fast ausnahmslos im 
Majorzverfahren gewählt werden, könnte hypothetisch angenommen werden, dass 
das Abstimmungsverhalten dem Verhalten des Medianwählers entsprechen müsste 
und daher eine weit höhere Übereinstimmung zu erwarten gewesen wäre. Beim 
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