Einleitung
einer Zeit des schnellen Wandels kann sich die Trägheit eines politischen
Systems negativ auswirken.” Doch dürfen Effektivität und Effizienz
nicht verwechselt werden. Es ist zweifellos wahr, dass die direkte Demo-
kratie, namentlich schweizerischer Prägung, in vielen Sachfragen lange
Diskussionen und Verfahren benötigt, bis schliesslich ein verbindlicher
Entscheid getroffen ist — oder am Ende sogar eine Ablehnung erfolgt.
Diese Entscheidungen sind dafür stärker in breiten Bevölkerungskreisen
verankert, der gefundene Kompromiss wird eher akzeptiert, die Umset-
zung der Beschlüsse fällt auf der Grundlage hoher Akzeptanz leichter
und es werden manchmal auch Entscheidungen verhindert, die sich auf
lange Sicht eventuell als Nachteil erwiesen hátten.? Schmidt prágte für
diesen Sachverhalt den Begriff des «tieferen Unsinnskoeffizienten» in
direktdemokratischen politischen Systemen.
In Tabelle 3 werden die potenziellen Nachteile der direkten Demo-
kratie aufgelistet und stichwortartig kommentiert. Zu Pro und Contra
gibt es also eine lange Debatte.
52 Siehe diesbezügliche Kritik von Wittmann 2001; Brunetti und Straubhaar 1996; Bor-
ner 1997 und weitere Beiträge in Borner und Rentsch (Hg.) 1997.
53 Bernhard und Bühlmann (2014) weisen auf Basis von Befragungsdaten von 1680
Respondenten in 56 Schweizer Gemeinden nach, dass dort, wo direktdemokratische
Entscheidstrukturen bestehen (Gemeindeversammlung), die Individuen ihre eigene
Wirksamkeit und die Wirksamkeit des politischen Systems höher einstufen als sol-
che in Gemeinden mit einem Gemeindeparlament — unabhängig von der Grösse der
Gemeinden.
54 Schmidt 2003, S. 115.
55 Verhulst und Nijeboer (2007, S. 75-91) haben den Versuch unternommen, in einem
von Democracy International herausgegebenen Buch über die direkte Demokratie
dezidiert auf Vorbehalte gegenüber der Direktdemokratie einzugehen und diese zu
widerlegen. Folgende Vorbehalte werden thematisiert: Inkompetenz der Bürger;
Mangel an Verantwortlichkeit des Stimmvolkes; Bedrohung von Minderheiten;
Freibrief für Demagogen; Macht des Geldes; mangelnde Differenzierungsmöglich-
keiten; Widerspruch zur repräsentativen Demokratie; Überlastung der Bürger;
Manipulation von Fragestellungen; Konservatismus und Status-quo-Orientierung;
besser geeignete Mitsprache- und Mitbestimmungsmöglichkeiten; Bedrohung für
die Einheit eines Landes.
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