Volltext: Direkte Demokratie in Liechtenstein

Praxis der direkten Demokratie 
6.3.1.5 Staatsvertragsreferendum 
Die Frage des Staatsvertragsreferendums wurde erst in den 1990er-Jah- 
ren thematisiert. Bis dahin war es den Reprásentativorganen überlassen, 
über Staatsvertráge Beschlüsse zu fassen. Ein erster Anlauf wurde von 
der Freien Liste im Jahr 1989 unternommen, auf dem Weg der Volksini- 
tiative das Staatsvertragsreferendum einzuführen. Die Debatte erfolgte 
ım Vorfeld des Beitritts Liechtensteins zur Uno. Die Freie Liste war zwar 
für einen Uno-Beitritt, wollte aber die Auseinandersetzung nutzen, um 
die Palette der Volksrechte auch auf Staatsverträge auszuweiten. Die Ini- 
tiative wurde mit 56,8 Prozent Nein-Stimmen verworfen.“° Die Gegner 
der Einführung des Staatsvertragsreferendums — Regierung und Landtag 
— argumentierten mit der Flexibilität, die der Kleinstaat in der Aussenpo- 
litik bewahren sollte. Gemäss der Abstimmungsvorlage wäre das fakul- 
tative Referendum nur gegen unbefristete und unkündbare Staatsver- 
träge, gegen den Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit und 
supranationale Gemeinschaften und gegen Staatsverträge, die schwer- 
wiegende ökologische Eingriffe mit sich bringen, zulässig gewesen. Das 
Hauptaugenmerk lag dabei auf Abstimmungen zum Uno-Beitritt, zu ei- 
nem allfälligen EU-Beitritt sowie zu den damals geplanten Laufkraftwer- 
ken zur Nutzung der Wasserkraft des Rheins (Rheinkraftwerke). 
Das Staatsvertragsreferendum wurde aufgrund einer zweiten Ini- 
tative 1992 dennoch eingeführt (LGBl. 1992.027). Diesmal ging die Ini- 
tiative von der Gewerbe- und Wirtschaftsxammer aus. Der Landtag 
stimmte der Vorlage lediglich mit drei Stimmen zu. In der anschliessen- 
den Volksabstimmung wurde das Staatsvertragsreferendum mit 71,4 Pro- 
zent Ja-Stimmen deutlich angenommen.“! Den Abstimmungshinter- 
grund stellte der sich ankündigende Beitritt zum Abkommen über den 
Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) dar. Nachdem die Vorlage von 
1989 noch eine Begrenzung des Staatsvertragsreferendums auf besonders 
bedeutende Sachverhalte vorgeschlagen hatte, verzichtete die neue Vor- 
lage auf entsprechende Bestimmungen. Seit der Zustimmung zum 
Staatsvertragsreferendum unterstehen nun alle im Landtag beschlosse- 
nen Staatsverträge dem fakultativen Referendum. 
470 Landesarchiv RF 342/72/28; SgZg 1989/09. Eigene Archivunterlagen. 
471 LILARF 348/72/27; V 127/1992/45. Eigene Archivunterlagen. 
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