4.1
Obligatorische und
nicht obligatorische Abstimmungen
In der Schweiz gilt das obligatorische Referendum für alle Fälle von Ver-
fassungsänderungen, also für Partial- oder Totalrevisionen. Die liechten-
steinische Rechtsordnung kennt nur eher exotisch anmutende Anwen-
dungsfälle von obligatorischen Volksabstimmungen. Sie sind bisher in
keinem einzigen Fall angewendet worden.
4.1.1 Obligatorische Abstimmungen
4.1.1.1 Definition und Entwicklung in Liechtenstein
Unter obligatorischer Volksabstimmung wird verstanden, wenn die Ver-
fassung oder das Gesetz vorsieht, dass ein Sachverhalt nicht ohne Volks-
abstimmung entschieden werden kann.
In der Verfassung von 1921 und im VRG von 1922 waren keine
obligatorischen Volksabstimmungen vorgesehen. Erst mit dem Steuerge-
setz von 1923 wurde ein Obligatorium eingeführt, welches allerdings nie
zum Einsatz kam und 2010 im neuen Steuergesetz entfiel.
2003 wurden zwei weitere Obligatorien eingeführt, einerseits bei
einer allfälligen Richterwahl durch das Volk, andererseits am Ende des
Verfahrens zur Monarchieabschaffung. Beide sind bis dato nicht zur
Anwendung gelangt.
4.1.1.2 Obligatorische Volksabstimmung bei
markanter Steuersatzerhöhung (1923-2010)
In Kapitel 2.2.1 wurde auf die obligatorische Volksabstimmung bei Er-
höhung des Steuersatzes auf mehr als das Anderthalbfache des bisheri-
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