Volltext: Liechtensteiner Vaterland (1943)

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Vaduz. Mittwoch de» 18. August 194« 
8» Jahrgang "Bezugspreise: Liechtenstein und die Schweiz jährlich Fr. 11.—, halbjährlich Fr. 550, vierteljährlich Fr. 2.80. Ausland (ausgenommen Brit. Reich u.U.S.A.) Auskunft und 
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Jahre, seit unsere Pfarr- kirche vollendet 
worden ist und ihre hehre Bestimmung erhielt, 2. wurde der Geburtstag Seiner Durchlaucht unseres edlen Landesfttrsten Franz Josef n. begangen und 3. sind 200 Jahre verflossen, 
seit Bischof Dio- nys 
von Rost die Gnadenkappelle auf Dux eingeweiht hat. An diesem großen Tage der Gemeinde Schaan waren die Spitzen der geistlichen und weltlichen Behörden anwesend: S. Exzellenz Bischof Dr. Christian 
Caminada, Bischof von Ehür, das durchlauchtigste Fürstenpaar, Fürst Franz Josef n. und Fürstin Georgine von Liechtenstein und der Chef der fürstlichen Regie- rung, Jöetr Dr. Josef Äoop. Aber auch viel Volk aus allen Gemeinden des Landes war in Schaan zusammengekommen, um an 
den er- hebenden Feierlichkeiten teilnehmen zu können. Schon am frühen Morgen prangte das ganze Dorf in buntem Flaggenschmuck, ganz besonders aber die Straße von der „Linde" hinauf zur Kirche, das Fürstendenkmal und das Innere der Kirche waren mit Fahnen in den verschieden- sten Farben, mit Girlanden und Blumen reich- lich geschmückt. Linter dem feierlichen Geläute der Kirchen- glocken wurden um 8.45 Seine Exzellenz der hochwürdigste Landesbischof, das* durchlauch. tigste Fürstenpaar und andere Ehrengäste beim Pfarrhpfe abgeholt und in die Pfarrkirche ge- leitet. !lm 9 Ahr begann das feierliche Äochamt, zelebriert durch den hochwttrdigsten Äerrn Bi- schof. Die Ehrenpredigt hielt unser Landsmann, der hochw. Jörn 
Professor Dr. Rudolf Meier von Ncndeln. Er sprach über das Thema: „Der Ort, wo 
Du stehst, ist heiliges Land." 50 Jahre Äaus Gottes! 50 Jahre Gnadenstätte, Äeilstätte und Pforte des Gimmels usf. Der hochw. Red- ner verstand es meisterhaft, den Gläubigen die Heiligkeit, die Bedeutung und Wichtigkeit eines Gotteshauses, namentlich einer Pfarrkirche, vor Augen zu führen. Der Männerkirchenchor brachte mit großer 
Präzision „Missa in G" mit Orgelbegleitung v. Filpke zur Aufführung. Am Schlüsse des Festgottesdienstes wurde an- läßlich 
des Geburtsfestes Seiner Durch, laucht unseres heißgeliebten Landesfiirsten Franz Josef II. das Te Deum gesungen. Beim Einzug und Auszug der hohen Gäste aus der Kirche bildeten die Gläubigen Spalier von der Kirche bis zum Pfarrhof. In der Mittagszeit brachte die Äarmoniemusik den Ehrengästen vor dem Pfarrhof ein gelungenes Ständchen dar. Nachmittags 1.30 war Prozession nach Dux und 
zwar nach folgender Ordnung: Schulmäd- chen, Schulknaben, Jungfrauen, Jünglinge, Klerus mit dem hochwürdigsten Landesbischof und dem durchlauchtigsten Fürstenpaar, Regie- rungSvertreter, Gemeinderat, 
Kirchenchor, Sar> moniemusik, Männer und Frauen. Trachten- Mädchen, 
Pfadfinderinnen und alle Vereine mit ihren Bannern taten auch mit. Eine große Volksmenge kau» auf Dux zusam- men. Kapelle und die Anlagen waren geschmückt. 
überall flatterten die Fahnen. Für die Ehren- gäste war ein Podium erstellt worden. Nach einem Veni Creator, gesungen vom Männerkir- chenchor, folgte die Festpredigt des hochwürdig- sten Bischofs Dr. Christian Caminada. Er er- innerte die Gläubigen an die Entstehung, an das Alter der Dur-Kapelle, an die Opferbereit- schaft unserer Vorfahren, an ihre Nöte und die Drangsale, die sie durchzumachen hatten, aber auch an die vielen Gnaden, die von dieser Ka- pelle „Maria zum Trost" im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte ausgegangen sind. Er streifte das religiöse Leben, Sitten und Gebräuche von einst und dasjenige von heute. Er hatte Worte hoher Anerkennung für das Fürstenhaus Liech- tenstein, sowie für das anwesende durchlauch- tigste Fttrstenpaar. Er zog einen Vergleich zwi- schen der Schweiz und Liechtenstein einerseits und den kriegführenden Staaten andererseits usw. Nach Beendigung der Festpredigt folgte eine Andacht zur Muttergottes mit satramen- talem Segen am Schluß. Nach der kirchlichen Feier folgte das Lied „Vater unsrer Väter", ge- sungen vom Männerkirchenchor und begleitet von der Karmoniemusik. Dann ergriff der Kerr Regierungschef 
Dr. Hoop das Wort zu fol- gender religiööspatriotischen Ansprache. Durchlauchtigster Fürst! Durchlauchtigste Fürstin! Euer Excellenz I Verehrte Anwesende! Wenn wir die Zweihundertjahrfeier dieser Wallfahrtskapelle zum Anlaß nehmen, dem Kimmel für das gütige Geschick zu danken, das er uns beschieden hat und uns fernerhin seinem mächtigen Schutze zu empfehlen, ist das gut und unsere Pflicht. Aber es wäre vermessen, es da- bei bewenden zu lassen. Wie im Alltag zum Ge- bet die Arbeit hinzutreten muß, so auch im Lc- ben der Gemeinschaft, im Leben des Staates. Auch jeder Staat und jedes Gemeinwesen ist letzten Endes selbst seines Glückes Schmied. Wenn wir dazu auf den Segen von oben An- spruch erheben wollen, müssen wir uns dieses Segens wert machen. Wir können das und sind das, wenn wir ein Staatswesen bilden, das den Grundsätzen des Christentums entspricht. Wir müssen uns deshalb bewußt sein der Pflichten, die wir als Bürger dem Staate ge- genüber haben. Sie sind niedergelegt in Ge- setzen und Verordnungen der Behörden. Wo käme ein Staat hin, in dem Jeder täte, was ihm beliebt. Der Bürger ist deshalb verpflichtet, die rechtmäßigen und von rechtmäßigen Behörden erlassenen Vorschriften einzuhalten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der zufällige In- Haber der Staatsgewalt ihm gefällt oder nicht. Äat er die Gewalt rechtmäßig, hat er Anspruch auf Gehorsam und Achtung. Wer sich vom Staate benachteiligt glaubt, hat die Möglichkeit, seine Beschwerden anzubringen, seine Wünsche geltend zu machen. Wem die Behörden nicht passen, kann die ihm von Verfassung und Ge- setzen in die Sand gegebenen Mittel ergreifen und Aenderungen herbeiführen. Er soll sogar Anteil nehmen am staatlichen Leben. In allen diesen seinen Beziehungen zur Staatsgewalt aber soll der 
Bürger sich von jenen Grundsätzen leiten lassen, die Sittengesetz und Gebote aufge- stellt haben: keine Gehässigkeit, in der Kritik sachlich, im politischen Leben anständig, nicht allein 
auf sich, sondern auch auf den Nächsten und das Gemeinwohl bedacht. 
An diese 
Regeln sich zu 
halten, ist Gebot, das für alle gilt, in ganz besonderem Maße aber für jene, die traft ihrer Stellung dazu berufen find, das Volk zu führen, es aufzuklären, an dessen Willensbildung in irgend einer Form beizutra- gen, nämlich die Staatsvorgesehten und die Presse. Auf letzterer im besonderen, die in der Gegenwart eine so überwältigende Rolle spielt, liegt eine Verantwortung, 
deren sich mancher Publizist nicht genug Rechenschaft abgeben kann. Leben wir nach diesen Grundsätzen, und Ruhe und Ordnung und der regelmäßige Gang des staatlichen Lebens ist gesichert zum Nutzen des Einzelnen und der Gesamtheit. Wir müssen uns aber weiter bewußt sein der Pflichten, die wir unseren Mitmenschen u. Mit- bürgern gegenüber haben. Es ist nicht damit ge- tan, daß wir die Gesetze einhalten, die das Zu- sammenleben der Staatsbürger ordnen, denn der Lebensbereich des Menschen geht weit über die paar trockenen Paragraphen hinaus. 
Es ist nicht damit getan, daß wir den Mitmenschen nicht be- rauben oder morden, 
es ist nicht damit getan, daß wir ihm seinen guten Ruf oder seinen Er- werb belassen, nein, wenn Zuftiedenheit und einträchtiges Zusammenleben gewährleistet sein sollen, müssen wir weitergehen, müssen vor allem das Gebot der Nächstenliebe hochhalten: den wirtschaftlich Schwachen nach Kräften helfen, den vom Anglück Betroffenen zur Seite stehen, auch einem unangenehmen Nachbar gegenüber verträglich sein, gegenüber dem Streitsüchtigen friedfertig. Wer mit Glücksgtttern gesegnet ist, soll den Armen nicht seinen Reichtum, wer mit Gewalt ausgestattet ist, den Schwachen nicht seine Macht silihlen lassen. Aber ich brauche nicht die Reihe der Bttrgertugenden aufzuzäh- len, die im alltäglichen Zusammenleben der Bürger wirken sollen, ich brauche nur das Wort eines Kirchenlehrers zu wiederholen, das alles sagt: Man gebe uns solche Kriegsleute, wie sie die christliche Lehre will, solche Antertanen, solche Männer, solche Frauen, solche Eltern, solche Kinder, solche Kerren, solche Diener, solche Könige, solche Richter, wie sie nach der Vorschrift des Christentums sein sollen, — dann ist es im Staate zum Besten und Aller- besten bestellt. Aber nicht der Staatsbürger hat seine Pflicht gegenüber dem Staate und gegenüber den Mit- bürgern, sondern auch der Staat gegenüber sei- nen Llntertanen. Nach katholischer Auffassung ist der Staat für die Bürger da und nicht der Bürger für den Staat. Der 
Staat ist einmal da, um das Recht zu wahren und vor Anrecht zu schützen. Er muß unter Umständen von seiner Befehls- und Zwangsgewalt Gebrauch machen, er muß verbieten, er muß strafen, er muß ver- urteilen, er muß einsperren. Wo die Eintracht in der Oeffentlichkeit gestört wird, hat der Staat die Pflicht, ordnend einzugreifen. Indem der Staat so, bald mäßigend und leitend, bald mit Strenge und Gewalt in die persönliche Sphäre eingreift, erfüllt er einen Auftrag Gottes, der letzten Endes den Staat geschaffen hat und der will, daß er gedeihe. Der Staat ist aber nicht nur Rechtsstaat, son- dern auch Wohlfahrtsstaat. Als solcher hat er für das Wohl der Llntertanen zu sorgen und zwar für das Wohl der Bürger in ihrer Ge- samtheit, das Gemeinwohl und das Wohl des Einzelnen. Wenn er auch Wohlfahrtsstaat ist, kann man allerdings nicht von'ihm verlangen, daß er unmittelbar das private Wohl jedes Ein- zelnen ausschließlich im Auge hat. 
Das Glück oder Llnglück des Einzelnen hängen in weit- gehendstem Maße von ihm selber ab. Wer die Wege, die zum 
persönlichen Glück führen, nicht gehen will, dem bringt auch der Wohlfahrts- staat 
kein Glück. Wer nicht 
sparsam ist, dem hei- fen auch reichliche Staatsmittel nicht. 
Wer sich nicht beschränken kann und nicht dulden gelernt 
hat, dem hilft auch der Staat über viele der vie- len Schwierigkeiten nicht hinweg. 
Vielmehr ist es Kauptaufgabe des Wohlfahrtsstaates, dafür zu sorgen, daß ein gesellschaftlicher Zustand her- beigeführt wird, in dem bei persönlicher Eigen- tätigkeit jeder Untertan das zu seinem Wohl Nötige erwerben kann, in dem aber Jeder auch ohne staatliche Bevormundung die seiner Frei- heit geziemende Selbsttätigkeit und Selbständig- keit entfalten kann. Unbeschadet dieses Grund- satzes hat der Staat jedoch die Pflicht, überall dort helfend einzugreifen, wo trotz eigener An- strengungen und trotz besten Willens die Kräfte des Einzelnen nicht mehr zu menschenwürdigem Loben genügen. Äier hat er seine soziale Für- sorgetätigkeit zu entfalten und zwar in umfang- reichstem Ausmaße. Das sind, verehrte Anwesende, nach katholi- scher Auffassung, ein paar wesentliche Grund- sähe, die die Äaltung des Bürgers gegenüber dem Staate und gegenüber seinen Mitbürgern und des Staates gegenüber seinen Llntertanen leiten sollen. Wenn wir heute in uns gingen und prüften, ob diese Grundsätze immer unser Jöan- deln geleitet haben, müjsen wir bekennen, daß der Äerrgott manche Schwachheit und Llnzu- länglichkeit übersehen hat, als er uns seine Ga- ben zumaß. Amso. dankbarer wollen wir ihm deshalb heute sein. Ich bentttze den heutigen Anlaß, da wir unse- ren kirchlichen Oberhirten bei uns sehen, dem ich die ehrerbietigen Grüße des katholischen Liech- tenstein entbiete, um auch der Kirche und dem Klerus wärmstens zu danken sür ihre Mitarbeit an der Gestaltung unseres öffentlichen LebenS. Die Einstellung des Volkes zum 
Staate ist in allerhöchstem Grade eine Angelegenheit der Seele. Die Betreuung der Seele 
aber ist Sache der Kirche. Wenn heute unser Landesherr und unsere Landesherrin selber, wenn Mitglieder der Regierung an dieser kirchlichen Feier teilneh- men, so möge das nicht nur als ein religiöser Akt, sondern auch als ein Zeichen aufgefaßt werden, daß sie auf die Zusammenarbeit mit der Kirche den allergrößten Wert legen. Dieser Feiertag, in dessen Mittelpunkt liech- tensteinische Vergangenheit und glückliche Ge- genwart stehen, erhält seine besondere Note da- durch, daß wir heute das Geburtsfest unseres Fürsten feiern. Wir feiern es Heuer mit einer Anteilnahme, die tiefer ist als je, weil ihn eine junge Fürstin mitfeiert. Wir feiern ihn umso in- niger auf dieser Insel des Friedens, als ein ' unfaßbar grauenvoller Krieg wie eine Geisel Gottes die Länder züchtigt und die Erde in ihren Grundfesten erschüttert. Wir feiern ihn umso hoffnungsfteudiger, als wir im Fürsten gerade heute den Garanten sehen, daß unser Land auch diesen Wettersturm glücklich überdauert. Mit den Gebeten, die heute Morgen sür unseren Lan- desHerrn zum Äimmel stiegen, vereinen sich jetzt die Wünsche unser aller, die wir hier sind und des ganzen liechtensteinischen Volkes für Ge- sundheit, langes Leben und stetes Glück unseres Landesherrn. Möge der Äimmel sie alle erfül- len, die Wünsche, die wir in den Ruf zusammen- fassen: Llnser durchlauchtigster Landesfürst, seine durchlauchtigste Gemahlin leben hoch, hoch, hoch." Mit den Klängen der Volkshymne und einem darauffolgenden schneidigen Marsch der Kar- moniemusik war diese eindrucksvolle, in allen ihren Teilen wohlgelungene Feier beendet und wird unS allen unvergeßlich in Erinnerung blei- ben.
	        

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