Volltext: Liechtensteiner Vaterland (1943)

ftt.58 
Vaduz. Samstag, bc« 24. Snli 1948 8. 2ah?g<MA lexogspreise: Liechtenstein und die Schweiz jährlich Fr. 11.—. halbjährlich Fr. 550, vierteljährlich Fr. 2.80. Ausland (ausgenommen dril Reich u. U.S.A.) Auskunft und Bestellung bei den Postämtern. Gleicher Preis wie Inland u. 30 Rp. Postzuschlag. Brit Reich und U.S. A. Fr. 14.— pro Jahr, halb]. Jt.7.—, viertel]'. Fr. 3.50, nur bei Voreinzahlung. 
r 
Anseigenpreise: Einspaltige Millimeterzeile: Liechtenstein 5 Rp.; Rheintal (Trübbach bis Sennwald), sowie Feldkirch 7 Rp.; übrige Schweiz 8 Rp.; Lander außer der Zoll- union 9 Rp.; Anzeigen im Textteil: 16 Rp. Erscheint Mittwoch und Samstag LIBC HXBMSTBI NEU OMAN FÜR AMTLICHE KUNDMACHDN6EN Geschäftsstellen: Schriftleitung und Verwaltung in Vaduz (Liechtensteins Postscheckkonto: „Liechtensteiner Vaterland, Vaduz", St. Gallen IX 5473. Druckerei: J. Kuhns Erben, Buchs (Fernsprecher Buchs 88.474). Alleinige Inserätenajnnahme.für Schweiz und Ausland: „Publicitas" A.Q., St. Gallen und andere Filialen. m nicht nie in der Schweiz...! Man hört immer wieder, in Liechtenstein sei eS heute in fast allen Belangen wie in der Schweiz. Es wird verwiesen auf: „Post, Zoll, Währung, Anbaupflicht, Lebensmittelmarken, Mahlzeitencoupons, Niederlassung, Arbeits- annähme, Zeitungen, Wille zur Erhaltung der Selbständigkeit usw. usf. Aber gar nicht wie in der viersprachigen Schweiz sieht es bei uns hin- fichtlich der Erlernung fremder Sprachen aus; denn der auch nur halbwegs Gebildete beherrscht in unserem Nachbarlande mindestens die zweite, meist aber auch die dritte Landessprache. Aus einem Berichte über den Verlauf einer großen Versammlung in Romanshorn, wo kürz- lich Delegierte aus allen Kantonen teilnahmen, ist zu ersehen, daß da die drei Landessprachen einträchtig durcheinander „gesummt" hätten und daß deutsche, französische und italienische Nefe- 'rate mit gleichem Applaus entgegengenommen worden seien. Aebrigens bot sich anläßlich des am 4. Juli in Vaduz erfolgten Besuches des Vorstandes deS Vereins der Schweizerpresse ein ähnliches Bild: Plötzlich sprach der Kdllege aus Genf, der zunächst tat, als verstände er nur französisch, zu seinem Nebenmann aus Glarus ein feines Schriftdeutsch und bald nachher unter- hielt sich der Lerr Nationalrat aus dem Linth- tal in gewähltem Italienisch mit einem liebens- würdigen Luganeser, der seinerseits wieder das Französische und Rätoromanische vollkommen beherrschte. Es ist eben nicht zu vergessen, daß in der Schweiz 71 Prozent das Deutsche, 21 Prozent das Französische, 6 Prozent das Italic- Nische und 1 Prozent das Rätoromanische als Muttersprache haben. Das letzte Äundertstel machen die Engländer, Aolländer, Spanier, Schweden, Griechen, Türken, Polen, Russen usw. aus, die am Tage der Volkszählung gerade da waren, die einen als Gäste in den Kurorten, die andern als Studenten an den Hochschulen, die dritten als Geschäfts- und Landelsleute. Es ist klar, daß in einem solchen Lande nur der auf die Erlernung ftemder Sprachen verzichten könnte, der sich auf seiner Scholle zu ernähren vermag und unabhängig von den Mitmenschen seine Wege gehen kann. In jeder schweizerischen Mittel- und Sekun- därschule gehört das Französische, bezw. in der Westschweiz das Deutsche zu den wichtigsten 
Unterrichtsfächern, ja viele Burschen und Mäd- chen betrachten die zweite Landessprache als Lieblingsfach. Selbstverständlich wird zu Sause tüchtig nachgeholfen und ein Mangelhaft in diesem Gegenstande schlägt da ganz tüchtig ein! Weiter ist eS Ehrensache, daß jeder aus der Realschule entlassene Sohn und ebenso jede gleichaltrige Tochter ein Jahr Sprachpraxis macht. Schon im Ädrbste werden im Welschland die Posten fürs kommende Frühjahr gesucht. Wer diese Weiterbildung vernachlässigt, hat im ganzen Schweizerlande kaum eine Möglichkeit, eine auch nur halbwegs gute Stelle zu bekom- men. Er kann weder an irgendeinem Posten in der Fremden-Industrie, noch bei einer Bank oder in einem sonstigen Büro noch bei der Post, beim Telephon oder bei der Bahn avancieren. !lnd so gehört also das Sprachstudium in unse- rem Nachbarland schon zum Allerwichtigsten in der Ausbildung der jungen Leute, die nicht eigentliche Studien machen können oder wollen. Daß dann die Absolventen der Mittelschulen und natürlich erst recht jene der Universitäten gewöhnlich die drei Landessprachen, dazu aber vielfach noch Englisch mehr oder wenig geläufig sprechen, diese Tatsache war von jeher nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt 6~e kannt. Nur so ist es zu verstehen, daß man in so vielen Großhandels-Firmen der verschiedenen Erdteile Schweizern in höchsten Stellungen be- gegnet. Wie sieht es nun auf diesem Gebiete bei uns in Liechtenstein aus? — Anders, leider ganz anders l In unseren Realschulen lernen die meisten Schüler nur deshalb französisch, weil sie müssen. Auch steht für dieses Fach weniger Zeit zur Verfügung als in den meisten Schulen der glei- chen Stufe in der Schweiz. Eine Nachhilfe durch die Eltern ist nur äußerst selten wahrzunehmen, dagegen ist öfters zu hören, man brauche die 2. Sprache später ja doch nicht. Llnd zu einem Welschlandaufenthalt glaubt man keine Zeit zu haben. Nichtsdestoweniger beteiligt man sich dann eiftigst an der Jagd auf Bürostellen, na- türlich auch in Fällen, in denen wenigstens eine bescheidene Beherrschung des Französischen in Wort und Schrift das tägliche Handwerkszeug bedeutet. Es ist zwar zuzugeben, daß seit dem Abschluß des liechtensteinisch - schweizerischen Zollvertrages und der dadurch bedingten Zu-nähme 
des Verkehrs auf allen Gebieten mit unseren westlichen Nachbarn eiye wesentliche Besserung eingetreten ist, doch muß da noch viel an Aufklärung geschehen. Es geht eben auch da um das liebe Geld. Nur ein einziges Beispiel! Der Verfasser dieser Zeilen konnte kürzlich wahrnehmen, daß in einem größeren Betriebe eines Städtchens irgendwo eine sprachlich gut ausgebildete Ausländerin für ihre sehr inter- essante Bllrotätigkeit monatlich Fr. 500 Gehalt 
bezieht, während ein gesundes, kräftiges, intelli- genteS Mädchen aus Liechtenstein für daS aller- bescheidenste Essen und monatlich nicht einmal Fr. IVO den ganzen Tag übermäßig arbeiten, etwas drastisch gesagt schinden und den „Tschumpel" machen muß! — Die Kenntnis von Fremdsprachen ist ein Ka- pital, dieses trägt Zinsen. Das sollten sich be. sonders junge Leute merken. Rom bombardiert £1« 
Die Basilika San Lorenz» fuori le mura Papst Pius begab sich am Montagabend zur Basilika San Lorenz» und besichtigte die 
Rui- nen der Kirche. Die Säulenhalle ist^zerstört. Die Bilder von Franceschini, die das Begräbnis des heiligen Stephan und des Laurentius darstellen, sind vernichtet. Der Altar des Papstes und der Marmorbaldachin, der im Jahre 1148 erbaut wurde, erlitten schwere Schäden. Die Orgel ist ganz zerstört. Der Triumphbogen, den Papst Pelagius H. umbauen ließ, ist schwer getroffen. Von den drei Kirchenschiffen ist keine Spur mehr übrig geblieben. Ebenso sind die Kanzeln aus dem 12. Jahrhundert zerstört. Das Grab Papst Pius IX. ist Unversehrt. Die Kapelle, die Sakri- ' und daS Pfarramt sind zerstört: Die 
Basi- lika hat mehrere Volltteffer erhalten. Protest des Papstes In gut unterrichteten Vatikankreisen verlau- tet, daß der Papst wegen des Bombenangriffs auf die Basilika San Lorenzo an Churchill und Roosevelt einen persönlichen Protest richten werde. Der Papst besichtigt die Bombenschäden Papst Pius begab sich lediglich in Beglei- tung von Msgr. Montini vom Staatssekretariat und ohne jede Eskorte von Wagen wie auch ohne das übliche Gepränge von Würdenträgern seines Kofes zur Basilika San Lorenzo. Wie man in Kreisen der Vatikanstadt er- fährt, war der Papst während des dreistündigen Fliegeralarms ruhig und zuversichtlich in seinen Appartements verblieben. Als der Alarm um 13 ilhr zu Ende ging, bat er um Auskunft über die durch die Angriffe angerichteten Schäden. Als er erfuhr, daß mehrere Institute und eine größere Anzahl von Wohnhäusern zerstört wor- den seien, • zeigte er tiefe Bewegung und be- schloß, sich sofort persönlich an Ort und Stelle zu begeben. Am 18 Ahr verließ der Papst die Vatikan- stadt. Niemand war von seinem Entschluß in Kenntnis gesetzt worden, außer seinem Beglei- ter Mgr. Montini. Als der Papst am Friedhof 
Campo Verano angekommen war, sah er die ersten Auswirkungen der Bombenangriffe. An mehreren Stellen war die Straße in Trümmer- Haufen verwandelt. Einige Gebäude der Ani- versitätsstadt waren völlig zerstört. Vor dem Friedhof, wo die Jahrhunderte alten Zypressen zu Boden geschlagen waren, hatte sich eine große Menschenmenge aufgestellt. Der Past wurde so- fort erkannt und war Gegenstand rührender Kundgebungen und Ehrungen. Pius XU. stieg barhäuptig aus dem Wagen und blieb einige Augenblicke bewegt vor den Ruinen der Basi- lika stehen. Von dem, was aus der Basilika eine der schönsten Kirchen RomS machte, besteht nichts mehr.. , ,. Der Papst nahm persönlich alle Schäden in Augenschein. Nachdem er seinen Wagen wieder bestiegen hatte, erteilte er der auf dem Platze knienden Menge seinen apostolischen Segen. Pius XU. kehrte nicht direkt in den Vatikan zu- rück, sondern fuhr zunächst durch die von Bom- bentreffern beschädigten Stadtviertel. Auch dort wurde er von der Menge erkannt, und er erteilte ihr seinen Segen. Um 19.19 Ahr kehrte der Papst in den Vatikan zurück. Augenzeugen berichten Augenzeugen des amerikanischen 
Luftangrif- SS vom Montag auf Rom unterstreichen das uSmaß der in der Aniversiiätsstadt angerichte- ten Schäden. Große wissenschaftliche Institute wie auch mehrere Studentenhäuser sind völlig in Trümmer gelegt worden. In einem dieser Käu- ser waren zumeist ausländische Studenten, dar- unter auch einige Schweizer, untergebracht. In- dessen scheint die Zahl der Todesopfer in diesem Quartier nicht besonders hoch zu sein. — In den Arbeiterquartieren San Lorenzo, Prenestina und Tiburtino sind dagegen bereits zahlreiche Tote aus den Trümmern geborgen worden. Am meisten gelitten hat das Tiburtino-Quartier, ivo die Zahl der Toten und der zerstörten Arbeiter- Häuser sehr groß ist. Der Manövrierbahnhof San Lorenzo, der das Äauptziel des amerikani» schen Lustangriffes gewesen zu sein scheint, liegt Frau Marianne Roman von Ernst Ahlgren tWdru«recht Schweiz« Feuilleton-Dtenst) Sie genierte sich immer noch ein wenig vor Marianne, so sehr ihr die Schwiegertochter auch gefiel. Börje merkte mit einem heimlichen Lä- cheln, daß sie Marianne noch nicht beim Vor- namen zu nennen wagte. Aber das würde sich schon noch geben. Er war so ftoh, so herzensfroh! Die Mutter und Marianne, daS war etwas, worüber man sich fteuen konnte. Mariane meinte, die Mutter brauchte doch nicht immer so allein hier zu wohnen, so weit weg von Tomtö. Sie könnte ja zu ihnen ziehen; die Wohnung, die Paul gehabt, stehe ja leer. Doch das wollte die Mutter nicht. „Die Alten tun immer am besten daran, in ihrem gewohnten Nest zu bleiben!^ meinte sie. Nach dem Mittagessen wanderten Börje und Marianne im ganzen «aus umher, während die Mutter sich damit vergnügte, nach ÄerzsnSlust ihren Enkel zu bewundem und zu liebkosen. „Aha, da liegt ja die gleiche Bibel, wie BSrje eine hat," jagte Marianne, als sie nun wieder in der Stube waren. „Wie gut erinnere ich mich noch jenes ersten Tages, da ich nach Tömtö 
kam! Ich fragte Börje, ob er darin zu lesen pflegte. Er verneinte dies aber und meinte nur, seine Mutter habe nämlich die gleiche-auch da- heim." Ein fast unmerkliches Lächeln glitt über die Züge der Mutter. Sie verstand ihn wohl. „Ja, die Bibel ist meine Stütze und mein Äalt," er- widerte sie dann ganz ernsthaft. „Ich hatte nie etwas, auf das ich mich besser hätte stützen kön- nen, als auf die Bibel. Aber ich kümmere mich nicht darum, was ihr glaubt, denn der Äerrgott gibt euch schon noch den Glauben, den ihr nötig habt; er versteht das besser als ich." Es lag etwas in dieser strengen, wohlwollenden Gerad- heit, das Marianne mehr gewann, als allerlei Schmeicheleien eS zu tun vermocht hätten. Als man am Abend sich trennen mußte, folgte ihnen die Mutter in die Schlafkammer, wo der Kleine schon sanft und selig in seinem Wäsche- korb schlief. „So nun schlaft gut miteinander!" sagte die Mutter, ehe sie sich wieder entfernte. „Ick habe euch so weich wie möglich gebettet. CS ist ja eine solche Seltenheit, Börje einmal hier zu haben." Börje legte die Sand auf ein altes Pult. „Sbitv, Marianne, liegt mein früheres Ich! .fiter hat die Mutter alle meine Briefe versorgt." 
„Ja, daS stimmt!" rief die Mutter, indem sie nochmals zurückkam und in die Tasche griff. „Ich habe gedacht, daß Marianne — der Name wollte zwar zuerst nicht recht über ihre Lippen — daß eS ihr vielleicht Vergnügen machen würde, alle Briefe BörjeS auch einmal zu lesen. Ich habe sie alle schön der Reihe nach geordnet." Nach diesen Worten reichte sie Marianne den Schlüssel zum Pult. Marianne konnte darauf nichts erwidern. Dieser Zug war der Schwiegertochter gegenüber so rührend feinfühlig, daß sie davor verstummte. Daran also hatte diese ungebildet Bauernfrau gedacht, ganz von sich aus daran qevachtl Die beiden Frauen schüttelten sich die Äände. Keine unnötigen Zärtlichkeiten, denn das war nichts für Mutter Ola. Aber sie hatten doch einander verstanden und das war nun ein Band, das nie mehr zerreißen konnte. Als Marianne und Börje endlich allein waren, trat sie auf ihn zu: „Börje, wie konntest du mich bis heute von allem diesem hier fern- halten und denken, es sei wohl am besten so?" „Es war notwendig." „Aber diese Verschlossenheit mir gegenüber!" „DaS ist eben so mein'.EHarakterzua." .. „Aber doch nicht gegenüber allen Menschen!" Sie lächelte ein wenig. Denn gegenüber seiner 
Mutter, der er die vielen Briefe geschrieben, war er ganz offenherzig. „Marianne, es hat mir so wohl getan, dich hier zu sehen, inmitten von alleni dem, das mir so lieb und teuer ist. Du mußtest damit ganz verschmelzen, und das ist nun wirklich so gesche- hen, die noch« offene Kluft ist jetzt endlich ausge- füllt. Komm, Marianne, setz dich zu mir. Ich habe mich bis jetzt tatsächlich geschämt, daß ich nicht anders war, als wie ich war. Aber nun ist das überwunden." Cr zog sie zu einer Wandbank, auf der Kissen in altmodischer Weberei lagen. Aber sie nahm statt dessen einen Niedern Stuhl und setzte sich ihm gegenüber; so konnte sie doch besser in sein Antlitz schauen. „Äat man sein Bestes gegeben, so soll man nicht noch mit Kleinigkeiten knauserig sein!" sagte sie lächelnd. „Da wir nun einmal ins Ge- spräch gekommen sind, so sag mir nun auch ein- mal, was du so oft in der Stadt zu tun hattest. Ich bin sehr neugierig darauf." . '. • „Ich habe Sprachen gelernt. Es war also ab- solut nicht so schlimm, wie es hätte scheinen kön- nen. Aber ich ängstigte mich doch immer, du könntest einmal dahinter-kommen." / ' «DaS wäre doch nicht» anderes gewesen!"
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.