Volltext: Liechtensteiner Vaterland (1936)

Nr. 1 
Vaduz. Mittwoch 1. Januar 1936 .X 
1. Jahrgang Liechtensteiner Vaterland Bezugspreis: Citdjtcnftcln und Schwel» jährlich Fr. 9.—, halblährllch Fr. 4.50. vierteljährlich Fr. 2.50, Übriges Ausland Fr. 13.—, 6.50 und 3.50, " ' -~ 
Amerika Fr. IC—, 9— und 4.50. 
NW für MW WWlltillM Erscheint wöchentlich 2 mal: Mittwoch «nd Samstag 
Anzeigenpreis: DI« einspaltige Colonelzeile für Liechle»- Vttin 10 Rp.. anarenz. Rheir »l (Triibbach bis Sennwald, sowie Feldkirch) >S Rp.. Übrige Schweiz I« Rp.. Ausland 20 Rp. Reklame: eiechtenstein 20 Rp.. Schweiz u»d Ausland 32 Rp. Vm"/-m. 
y^'sirawfS^ ftffi rfsaas mm.Wff^^^rXSfssä aasa. Mmleultlits-EiMiliil. Das „Liechtensteiner Vaterland" erscheint an Stelle der beiden bisherigen Blätter der Na- tionalen Opposition „Liechtensteiner Nachrich- ten" und „Liechtensteiner Heimatdienst". Alle bisherigen Abonnenten der genannten beiden Blätter werden höflich eingeladen, nunmehr das Etnheitsblatt der Opposition zu beziehen und für dasselbe neue Freunde und Abonnenten zu werben. Redaktion und Verwaltung. Vaterländische Union. Das „Liechtensteiner Vaterland". Zum Geleit! Mit einer imponierenden Stimmenzahl ist die heutige Opposition am Z0. Mai des abgelaufe- nen Jahres aus dem Abstimmungskampf um den Proporz hervorgegangen. Dieser Tag war Beweis, daß wir über eine Stärke verfügen, die uns erlaubt, uns als gleichwertige Gruppe neben die herrschende Mehrheit, die Bllrgerpartei, zu stellen und mit vollem Recht gleiche politische Behandlung zu verlangen. 47 Prozent des liech- tensteinischen Volkes haben sich unter die Füh- rung der Opposition gestellt und haben damit be- kündet, daß sie eintreten wollen für eine wahr- Haft demokratische und gerechte Behandlung aller Liechtensteiner. Diese Abstimmung aber war es auch, die uns den Weg wies, den wir zu gehen hatten und den wir heute mit der Heraus- gäbe dieser neuen Zeitung auch mutig beschritten haben. In enger Kampfesbrüderschaft sind £&®. und Volkspartei einem starken und un- nachgiebigen Gegner gegenüber getreten und ha- ben ihre Interessen und die wirklichen Interessen des Landes gemeinsam verteidigt. Wie konnte es anders sein, als daß aus dem gemeinsamen Kampf um gemeinsames Recht sich dauernde 
BaterlLndi Die Vaterländische Union, eine Partei auf dem Boden katholischer Weltanschauung, her- vorgegangen aus der Liechtensteiner Volkspartei und dem Liechtensteiner ijelmatdienst, stellt sich folgendes Programm: 1. Die „Vaterländische Union" steht auf dem Boden einer demokratischen Monarchie auf parlamentarischer Grundlage im Sinne der Verfassung. Sie tritt ein für die absolute Wahrung der Volksrechte und der staats» bürgerlichen Grundrechte insbesondere der Pressefreiheit. 2. Sie hält unerschütterlich fest am Zollver- tragsverhältnis mit der Schweiz und er- strebt eine ^Vertiefung der wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Beziehungen durch die Wiedererrichtung der Gesandt- schaft in Bern. 3. Sie fordert gerechte (verhältnismäßige) Vertretung aller politischen Gruppen im Landtag, in der Regierung, in allen Behör- den und Kommissionen. Sie pflegt ferner das Studium der ständischen Idee und ihrer Anwendbarkeit auf Liechtenstein und ver- langt die möglichste Heranziehung der stän- dischen Organisationen (Landwirte, Arbei- ter, Gewerbetreibende ete.) zur Wirtschaft- lichen und politischen Mitarbeit im Lande. 
sche Union. Sie erstrebt weiter: Arbeiterschuh. 5. Arbeitsbeschaffung, Hebung der Verdienst- mögttchkeit und ErwerbsfShigkeit der Be- völkerung, Förderung des fachlichen Bil- dingswesens, der Berufsberatung, Unter- stühung des Lehrllngswesens, Ausbau des Wirtschastsamtes al» Amt für Berufsbe- ratung, Wirtschastsstattstik, Amt für Indu- strie «nd Handel (Herbeiztehung neuer In- dustrien), Besehung dieses Amtes mit einer leistungsfähigen Persönlichkeit. 6. Hebung des Kredites im In- und Aus- lande. 7. Förderung der Landwirtschaft im Sinne der Schaffung einer möglichst weitgehen- den Selbstversorgung, Bodenverbesserung, Schaffung erhöhter Absahmöglichkeiten agrarischer Produkte, Schutz des heimischen Bodens gegen Ueberfrerndung. 8. Vermehrte Aufmerksamkeit für Rhein- und Rüfeschutzbauten. 9. Fördemng des Fremdenverkehrs, Ausbau guter Beziehungen zu allen für den Frern- denverkehr in Betracht kommenden Staaten. 10. Ausbau der Jugendfürsorge, berufliche und sportliche Ausbildung der Jugend. _4 Verbindungen knüpften? Vielfach konnte man schon vor der Abstimmung um den Proporz und während und nach derselben den stürmischen Wunsch vernehmen, die beiden oppositionellen Gruppen möchten sich unter einer einheitlichen Führung vereinigen und Schulter an Schulter weiter kämpfen um das Recht des freien Liech- tensteiners. Nach vielen Schwierigkeiten sind wir heute so weit, diesem Wunsche der liechten- steinischen Bevölkerung entsprechen zu können. Die Volkspartei, die alte Vorkämpferin um die liechtensteinische Demokratie, hat sich aufgelöst, die „Liechtensteiner Nachrichten" erscheinen nicht mehr. Gleichzeitig hat sich aber auch der Liech- tensteiner Heimatdienst aufgelöst und stellt das Erscheinen seiner Zeitung ein, um einer neuen Gruppe und einer neuen Zeitung den Platz in der liechtensteinischen Politik frei zu geben. Unsere Grundsätze und das Ziel unseres Kampfes bleiben die alten. Nichts anderes ist unser Programm, als zu kämpfen für eine bessere Zukunft unseres Landes. Das kulturelle und wirtschaftliche Wohl unserer Heimat ist unser oberster Grundsah, nach ihm werden sich unsere 
Entschließungen und Handlungen bestimmen. Nicht Politik um des Kampfes Willen, sondern Kampf um das Recht und um eine bessere Zu- fünft unseres Landes ist unsere Losung. Das in der ersten Nummer der neuen Zeitung veröffent- lichte Programm ist uns Wegleitung und Ziel. „Liechtensteiner Vaterland", der Name unse- rer Zeitung, ist schon Programm an sich. Schon dieser Name beweist, worum es uns geht. Das gemeinsame Vaterland des Liechtensteiners wol- len wir uns ausbauen, so daß sich jeder Liechten- steine? zu Hause fühlen wird. Nicht Vernichtung des politischen Gegners, nicht Kampf bis aufs Messer wollen wir, sondern nur ein Sonnen- Plätzchen an der liechtensteinischen Politik, mit- arbeiten für unser Vaterland, Zusammenfassung aller gutgesinnten und verständigen Liechtenstei- ner zu einem liechtensteinischen Block, Hebung des Vertrauens im Inland, Hebung des Ver- trauens des Auslandes zu unserer Politik und Wirtschaft. Unser Vaterland voran; in erster und letzter Linie unser Vaterland. So soll denn das „Liechtensteiner Vaterland" hinausgehen ins politische Leben unseres Landes 
und soll den Tag vorbereiten, da es nur mehr gleichberechtigte und freie Liechtensteiner geben soll, da unser Land im Rahmen des Möglichen einer bessern Zukunft entgegengehen darf. „Kämpfe um unser Recht, „Liechtensteiner Va- terland", aber kämpfe ehrlich, anständig und ohne Haß, achte den ehrlichen politischen Geg. ner so gut wie Deinen Anhänger." Trotz des be- vorstehenden Kampfes wollen wir helfen, die Gegensätze abzubauen und Brücken zu schlagen zwischen hüben und drüben. Der Friede, in den letzten Monaten von uns ehrlich gesucht, soll nicht absterben, dieser Gedanke darf nicht ver- schwinden und nicht vergessen werden, selbst nicht in Zeiten, da die Wogen des politischen Kamp- fes hochgehen und manches Gute unter sich zu vergraben drohen. „Vaterländische Union": Auch der Name der neuen Richtung ist schon ein Programm. Auch dieser Name weist uns den Weg. Nicht nur die neue Zeitung, sondern auch die hinter ihr sie- hende politische Masse wird und soll Handel« nach dem, was Zeit und Umstände für das Wohl unserer kleinen Heimat erheischen. Die Union der liechtensteinischen Patrioten soll alle ver- einigen, die in ehrlichem Streben um das Wohl unseres Landes sich bemühen. Sie setzt sich in gleicher Weise ein für die allgemeinen Interessen des Landes, wie für die wirtschaftlichen und so- zialen Interessen des liechtensteinischen Bauern, Arbeiters, Gewerbetreibenden und aller anderen Berufsgruppen. Wir stehen unerschütterlich auf dem Bode» katholischer Weltanschauung «nd sehen im Fürstenhaus den Garanten der Freiheit «nd der Selbständigkeit unseres Landes. Liechten- stein ist und soll bleiben die katholische Alpen- Monarchie am Rätikon, so und nicht anders will es unser Programm. Aber auch an dem Zollvertragsverhältnis zur Schweiz will die vaterländische Union festhalten und will sich dafür einsetzen und dafür arbeiten, daß die wirtschaftlichen und kulturellen Bezie- Hungen zur Eidgenossenschaft vertieft und ausge- baut werden. And nicht zuletzt fühlt sich die Vaterländische Union als Hüterin «nd Wahrerin der Volks- rechte; sie wird jedem Uebergriff gegen die ver- fassungsmäßigen Rechte des liechtensteinischen Volkes entgegentreten. Was jedem wahrhaften Liechtensteiner heilig geworden ist, darf nicht an- getastet werden. Sie will aber auch dafür sorgen, daß jeder politischen Gruppe im Lande, sofern sie staatstreu und staatserhaltend ist, und das ist jede auf katholischer Grundlage stehende und die Selbständigkeit Liechtensteins vertretende Frau 
Ingrids Ehe. Ein Wiener Roman von HedwigTeichmann. (Nachdruck verboten.) Sie schwiegen alle. Heinrich ahnte nicht, was in seiner jungen Frau vorging. Denn sie saß mit eigentümlich verschlossenem herbem Gesicht da. Dann half sie ihm mechanisch seine Anzüge in den Koffer legen, trug die hundert Kleinigkeiten herbei, die zum täglichen Leben gehören, alles mit automatischer Gleichgültigkeit. Einmal ftagte sie: „Werden wir uns schreiben?" Heinrich war es schwer, ihr zu antworten. Nein, er wollte keinen Briefwechsel mit ihr. Er konnte ihr doch unmöglich heitere, liebevolle Briefe schreiben. Dazu waren sein Schmerz, seine Enttäuschung zu groß. Um ihres grenzenlosen Leichtsinns willen mußte er hinaus. Mußte alles verlassen. Die weiche Regung, die die Abschieds- gedanken ausgelöst hatten, war verschwunden. Nur nicht schlapp werden. Das taugt nichts. Hart muß man sein. Da trägt's sich leichter. So sagte er ruhig: „Nein, Ingrid, wozu auch. Wir haben uns nichts mehr zu sagen. Notar Klein wird ständig Nachricht von mir erhalten. Durch ihn können wir, wenn es nötig sein sollte, uns Nachricht geben." Die Sachen waren gepackt. Heinrich setzte sich tum Schreibtisch und zog den Fahrplan heraus. 
Ingrid stand noch eine Weile mit schlaff herab- hängende Armen. Dann verließ sie leise das Zimmer. Er hatte ihr keinen fteundlichen Blick mehr geschenkt. Wie ein völlig Fremder würde er von ihr gehen. Sie warf sich müde und ver- zweifelt auf ihr Bett. Nun wünschte sie es fast, daß er schon fort wäre. Dann konnte sie sich un- gestört ihrem Schmerz hingeben. Durch die Nacht zitterten in kurzen Pausen die Viertelstundenschläge der nahen Kirchenuhr. Ingrid zählte krampfhaft. Jetzt schlug die Uhr noch zweimal. Dann war Heinrich fort. Vielleicht sah sie ihn nie wieder. Sie fühlte nun erst, wie sehr doch ihr Herz an ihm hing. Wie kann es denn möglich sein, dachte sie immer wieder, daß zwei Menschen, die so unlöslich verknüpft sind, sich trennen können, ohne daß ihnen das Herz bricht? Bubi stöhnte behaglich im Schlaf. Das arme Kerlchen. Der ahnte nicht, daß er seinen Vater auf lange Jahre entbehren sollte. Nun schlug die Uhr wieder. Noch eine Viertelstunde. Dann ging er fort in die Welt hinaus. Vielleicht war er froh, ein ganz anderes Leben beginnen zu kön- nen. Wie verächtlich er mit ihr gesprochen hatte. War sie eine so große Sünderin? War ihr Un- recht nie wieder gutzumachen? Wie ein Wasser» stürz ging es über sie hin. Ja, sie mußte sühnen. Alles sammelte sich in dem einen Gedanken, sah-nen, 
sich rein waschen, damit Heinrich eines Ta- ges voll Bewunderung und Hochachtung zu ihr aufblicken konnte, mußte. Ihre Seele war so voll. Sie dachte, es sei un- möglich, Heinrich fortzulassen, ohne daß sie ihm alles klar und logisch auseinandergesetzt hätte, wie sie auf den unebenen Weg geraten wäre. Sie legte sich die Worte klar und klug zurecht, die sie ihm sagen wollte. Und nun kam wieder der nie- verdrückende Gedanke: es würde doch nichts nützen. Cr will seine Schuld nicht sehen, nicht verstehen, daß auch er sein Teil dabei hat. Nun knarrte die Türe, und Heinrich kam ins Zimmer. Er hatte schon seinen Mantel an und trug Hut und Schirm in der Hand. Suchend blickte er im Zimmer um, dann trat er zu Rob- bis Bettchen. Leise berührten seine Lippen das blonde Köpfchen des kleinen Knaben. Mit einer innig behutsamen Gebärde strich er über die schmalen Wangen. Er verharrte einen Augen- blick regungslos. Dann richtete er sich kurz in die Höhe und kam zu Ingrid. Die hatte sich vom Bett erhoben und stand mit zusammengepreßten Lippen vor ihm. Sie sagte nichts und bot ihm nur kurz' die Hand. Heinrich legte nun auch den Hut beiseite und nahm sein Weib in die Arme, fest und gut. Dabei sagte er leise: „Machen wir uns-den Abschied nicht schwerer, als er wirklich ist. Denn 
er bedeutet für uns beide ja Erlösung. Vielleicht heilen die Zeit und die Trennung die schweren Wunden, die dein Leichtsinn mir schlug. Du hast ein glückliches Temperament. Mir wird meine Arbeit über vieles hinweghelfen." Ingrid rang krampfhaft mit ihrer tiefen Cr- schlltterung. Er sollte es nicht sehen, wie schwer, wie bitter schwer ihr der Abschied wurde. Cr selbst war ja so ruhig, so gefaßt. Sie wollte sprechen, so kühl wie er, brachte aber nur einen unartikulierten Laut heraus. Da schüttelte sie stumm den Kopf und wollte sich abwenden. Aber Heinrich zog sie fester an sich und sagte: „Not wirst du keine zu leiden haben. Ich habe für euren Unterhalt eine bestimmte Summe bei Notar Klein hinterlassen. Jeden Monat er- hältst du einen Teil. Wohnung usw. hast du ja in Waldfrieden. Ich sage dir nicht, Ingrid, bleib gut oder werde stärker, als du es bisher gewesen. Bist du das, wofür dich dein Vater und Tante Sabine gehalten, dann wäre die Mahnung über» flüssig. Bist du es nicht — dann erst recht. Lebe wohl und habe Dank für die kurzen GlttckSstun- den, die ich durch dich genossen." Cr küßte ihre Lippen fest, kurz und mtt bei- nahe schmerzhafter Leidenschaft. Dann ließ er Ingrid, die schwankend zurücktaumelte, auS sei- nen Armen und verließ rasch daS Zimmer. Ingrid stand eine Weile regungslos. Sie
	        

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