im Herbst 1823 in einem förmlichen Versöhnungsvertrag beigelegt wer-
den.!”® Aus dessen Wortlaut ist ersichtlich, wie unsinnig und zwecklos der
Kampf gewesen war. Trotzdem dauerte er weiter, bis in den ersten Märzta-
gen 1825 Pestalozzi, Josef Schmid und die vier verbliebenen Zöglinge das
Schloss in Iferten verliessen.!”* Das Institut war zugrundegerichtet.
Als Institutslehrer war Kaiser ganz selbstverständlich von diesem Kampf
um «den rechten pädagogischen Weg» und um das «Erbe Pestalozzis»
betroffen, obwohl er sich herauszuhalten suchte und zumindest am
Anfang keine eindeutige Position bezog. Seine Stellung war diejenige
Pestalozzis, wie er immer wieder betonte. Dieser wurde jedoch ebenso
von Niederer wie auch von Schmid als Kronzeuge für sich reklamiert. Weil
Niederer jedoch ausserhalb des Schlosses wohnte, Schmid dort aber die
Leitung innehatte, ist es verständlich, dass Kaiser vorerst Distanz zu Nie-
derer hielt und sich nach und nach der Position Schmids annäherte.
Ein ehrenrühriges, mehrseitiges Schreiben masslosen Ausdrucks des tief
verbitterten Niederer an Peter Kaiser beleuchtet zum Teil die Haltung des
Liechtensteiners.!”® Einen Brief, den Kaiser anfangs April nach der Rück-
kehr von einer Reise nach Lausanne!” an Niederer gerichtet hatte, konnte
der Empfänger nur Kaisers «gänzlicher Erschöpfung von der Reise»
zuschreiben. Der erste Eindruck des Briefes sei das «Gefühl frecher,
zudringlicher Unverschämtheit» Kaisers gewesen, der zweite habe zum
Entschluss Niederers geführt, «sich bürgerlich gegen Ihre Verläumdungen
und Lügen Recht zu schaffen», denn «Plattes und Verächtliches» verdiene
nur Verachtung. Niederer sah jedoch von einer Klage ab, weil Kaiser «bey
keiner Behörde bürgerlich durch Papiere» ausgewiesen sei, folglich jeden
Augenblick davon laufen könne! Kaiser biete also «einem bürgerlichen
rechtlichen Ehrenmann, der etwas zu schützen hat, durchaus keine
Joh. Niederer
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173. SCHÖNEBAUM: Pestalozzi. Ernte und
Ausklang, 21 f.
174. Johann Heinrich PESTALOZZI: Meine
Lebensschicksale als Vorsteher meiner Erzie-
hungsinstitute in Burgdorf und Iferten. Leipzig
1825; kommentiert auch IN: Sämtliche Werke,
Bd. 27, S. 215—344. — HUBER/KLAUSER: Leh-
rerstreit in Iferten, S. 144—147.
175. Johannes Niederer an Peter Kaiser «im
Schloss», Herten 16. April 1823; Zentralbiblio-
thek Zürich: Ms. Pestalozzi 600.36. — ROEDEL:
Pestalozzi und Graubünden, 5. 212 ff.
176. In Lausanne wurde zwischen Niederer
und dem Gespann Schmid und Pestalozzi pro-
zessiert.