Jas konservative
Prinzip
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Das «wahre konservative Prinzip», es sei noch einmal erwähnt, müsste
nach Kaisers Meinung auf dem Fortbau und der Erhaltung der drei
wesentlichen Grundlagen «eines christlich civilisierten Gemeinwesens»
beruhen,*” nämlich der Heiligkeit der Familie als Grundlage der Erzie-
hung und Entwicklung, der Heiligkeit des Besitzes als Bedingung zu Fort-
bildung und Kultur und drittens der Anerkennung, dass der Mensch ein
Ebenbild Gottes sei, mithin Selbstbestimmung und Selbstzweck habe,
den er nur in der Gesellschaft erreiche. Die Bevormundung der Bevölke-
rung Liechtensteins sei gegenüber früher gewachsen, die «altväterische
christliche Haushaltung» sei seltener geworden, «Selbstsucht oder Gleich-
gültigkeit nahm zu, wie die Teilnahme und das Interesse für die bürgerli-
chen Dinge abnahm; es gab keine würdigen Gegenstände mehr, an denen
sich das Volk bilden konnte, kein gemeinsames, höheres Interesse». Mit
der Verarmung nehme die sittliche Kraft und geistige Tüchtigkeit ab.*®8
In diese von Kaiser beschriebene Situation Liechtensteins brachen die
Ereignisse von 1848 ein. Der Ruf nach Verbesserungen und der Wille zur
Veränderung erfasste die politisch eher passive Bevölkerung. An ihre
Spitze berief sie den von der Obrigkeit als «Vorwisser und Urheber» ver-
dächtigten Peter Kaiser. An der politischen Front versuchte er dem revolu-
tionären Willen eine zielgerichtete und konzentrierte Wirkung zu geben.
Auf der literarischen Ebene projizierte er durch seine «Geschichte des Für-
stenthums Liechtenstein», die in einer Situation der nationalen Krise
erschien, das Bewusstsein einer nationalen Identität, die auf einer
gemeinsamen Geschichte beruhte und das selbstbewusste Auftreten der
Bevölkerung gegenüber der Landesherrschaft ermöglichte. Er weckte, um
mit seinen aus der Zeit richtig verstandenen Worten zu sprechen, «das
Nationalgefühl, welches allein zu grossen Dingen führt».“?
497. KAISER: Geschichte des Fürstenthums
Liechtenstein, hrsg. v. A. Brunhart, Bd. 1: Text
5.558 f.
498, KAISER: Geschichte des Fürstenthums
Liechtenstein, hrsg. v. A. Brunhart, Bd. 1: Text,
5. 558 £f.
499, KAISER: Geschichte des Fürstenthums
Liechtenstein, hrsg. v. A. Brunhart, Bd. 1: Text
5.512.
500. Staatsarchiv Graubünden IV 25 g 4: Ein-
bürgerungsakten Peter Kaisers 1856.