Rita McLean-Sele und
ihre Kinder Dylan und
Samantha
sie die Rückkehr aufs nächste Jahr hinaus, denn die Entscheidung, wo
denn nun ihr Zuhause war, fiel ihr schwer. Schliesslich fasste sie im
Frühjahr 1992 den Entschluss, nach Liechtenstein zurückzukehren.
Die Stelle in der Feingiesserei kündigte sie nur ungern — ihre Arbeit
gefiel ihr jeden Tag. Als sie aber im Sommer feststellte, dass sie
schwanger war, wurde sie in ihrem Entscheid, nach Liechtenstein
zurückzukehren, bestärkt.
Seit November 1992 ist Rita wieder in Triesenberg. Ihr Partner zog
ebenfalls nach Liechtenstein, die beiden heirateten. Zwei Kinder, Sa-
mantha und ein Jahr später Dylan, wurden geboren. Doch die Ehe
hielt nicht. Heute lebt Rita McLean als alleinerziehende Mutter in Steg.
«Es ist gut möglich, dass ich nicht hier wäre, wenn ich alleine
wär», sagt Rita. Aber der Lebensabschnitt, in dem sie frei und sorglos
annehmen oder abweisen konnte, was auf sie zukam, ist vorbei. «Zch
denke gerne an meine acht Jahre in Kanada und vermisse manchmal
diese Zeit. Das Leben schien mir dort offener, freier.» Dabei räumt Rita
sofort ein, dass sie ja doch auch aus diesem, dem landesüblichen Holz
geschnitzt sei. Sie könne niemanden etwas vorwerfen, denn was sie
bemängle, treffe eigentlich auch auf sie zu. Sie sei hier halt auch weni-
ger offen, etwas schüchtern und zurückhaltend. «In Kanada war ich
sin anderer Mensch als hier», bringt es Rita auf den Punkt.
«Für mich hab’ ich's einfach machen müssen.» Es habe ihr gut
getan, im Ausland zu leben. Sie sei toleranter geworden (obwohl sie
hier, wie gesagt, nicht ganz so aufgeschlossen sei wie in Kanada), und
es sei eine gute Erfahrung gewesen, eine Zeitlang einfacher zu leben.
Liechtenstein sei ein sehr materialistisches Land: «Die Leute legen viel
Wert auf materielle Dinge, sind aber häufig unzufriedener als Leute,
die viel bescheidener leben müssen.» So komme es ihr wenigstens vor
«Die meisten meiner kanadischen Freunde beispielsweise haben von
ihrem eigenen Land noch nicht so viel gesehen wie die Liechtensteiner,
die zu Besuch kamen», merkt Rita nachdenklich an.
Sie hat - nachdem ihre Wanderlust nachgelassen und sie das Rei-
sen gedrosselt hat — mittlerweile begonnen, auf andere Art neue Gebie-
te zu erkunden. So hat sie beispielsweise vor kurzem das Schweissen
entdeckt. Mit Metall versucht sie, an die Grenzen ihrer Kreativität vor-
zustossen. Auf die eine oder andere Art bleibt ein wanderlustiger Geist
eben doch in Bewegung. Um dem Stillstand entgegenzuwirken.
braucht man sich nicht unbedingt fortzubewegen.
Interview und Text: Pio Schurt
Marlaan
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