Volltext: Nach Amerika!

«drei Tage zurück» geworden. Später kommen «neue» Wörter aus 
dem Amerikanischen in sein Deutsch, wie «Wertweiles» (worthwhile = 
etwas, was sich der Mühe lohnt) oder «babysitzen» oder «bin heute 
frei» im Sinne von «ich habe heute frei». Und Konrad beginnt seine 
Verwandten manchmal zu siezen, vermutlich weil im Englischen «Sie» 
und «Ihr» (=you) der Form nach nicht unterscheidbar sind. Als er im 
August 1945 als amerikanischer Soldat erstmals nach Triesenberg zu 
Besuch kam, habe man ihn kaum mehr verstanden, bestätigt seine 
Schwester Hedwig Beck. «Är hed Englisch gredt.» Seine Briefe an die 
Eltern oder Geschwister verfasste er jedoch immer auf Deutsch: «Mei: 
ne Ib. Eltern & Geschwister» oder «Liebe Schwester Hedwig». 
Konrad Sele war bewusst ausgewandert und auch bewusst Ameri- 
kaner geworden. Er gehörte noch nicht zu jener späteren Generation 
von Auswanderern, die von sich sagen, sie seien ausgezogen, um mal 
etwas Anderes zu sehen, und seien dann hängengeblieben. Das geht 
aus Konrads Briefen deutlich hervor. Schon in den ersten Jahren 
schreibt er «bei Euch», das heisst, er sieht sich nicht mehr als einer 
vom Triesenberg. Am 30. August 1930 resümiert er: «Nun ist es schon 
mehr als ein halbes Jahr her, seitdem ich die heimatliche Scholle ver- 
lassen, bin mich auch schon so angelebt, dass man mir kaum mehr 
anmerkt, ich komme aus Europa und zudem noch vom Triesenberg.» 
Was er sagt, wird durch seine Sprache bekräftigt: Er verwendet einen 
ausserhalb der Literatur doch eher ungewöhnlichen, quasi «fremden» 
Ausdruck «heimatliche Scholle» für «schini Heimat» und vermischt 
das englische «Z/ am accustomed» mit dem deutschen «Ich habe mich 
eingelebt» zu «ich bin mich angelebt». 
Konrad Sele beginnt auch schon bald, sich Rechenschaft über sei- 
nen Werdegang zu geben. «Will Euch diesmal mit einigen Bildchen 
überraschen», schreibt er am 29. Oktober 1930. «Wie Ihr seht, bin ich 
im allgemeinen noch der alte Konrad. Zwar habe ich 6-7 Pfund zuge- 
nommen, seitdem ich in Los Angeles bin, das ist wenigstens ein Zei- 
chen, dass ich kein Heimweh habe.» Und am «December 8th, 1930» 
notiert er: «Ist wohl das erste Mal, dass ich Weihnachten nicht mit 
Euch auf Balisgut feire. Aber mögen Meer und Weltteile uns trennen, 
in Gedanken sind wir und doch nahe ... Habe schon etwas Geld auf der 
Bank, wenigstens soviel, dass ich wieder zurückkehren könnte, von wo 
ich gekommen ... Wieviel Lohn ich bekomme, habe ich Euch bereits 
mitgeteilt, will es aber auf Wunsch nochmals schreiben, nämlich 85 
Dollars im Monat.» («Das würde also über 400 Fr. ausmachen», hatte 
er bereits im August vorgerechnet.) Dass er zurückkehren könnte. 
erwähnt Konrad Sele nach knapp einem Jahr also nur mehr als theo- 
retische und finanzielle Möglichkeit. Auch wenn das Geld für eine 
Rückreise reichen würde, geht für ihn diese Rechnung nicht mehr auf: 
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