nus fesselte, während er selbst doch als lahmende «Krüppelgestalt» umher-
lief. Jupiter aber, Neptun, Merkur und Apollon — die Göttinnen blieben dem
Ereignis fern — hatten Sinn sowohl für Vulkans gekränkte Gefühle als auch
für seine Kunstfertigkeit und überschütteten das Paar, das hilflos ans Bett ge-
kettet war, mit langem Hohngelächter. Schön, wie Homer nun den einen
Gott zum anderen sprechen läßt: «Böses gedeihet doch nicht, der Langsame
haschet den Schnellen! Also ertappt Hephaistos, der Langsame, jetzt Ares,
welcher am hurtigsten ist von den Göttern des hohen Olympos, er, der
Lahme, durch Kunst.» Diese Kunst sollten die Unsterblichen vom Gott der
Schmiede noch öfter in Anspruch nehmen (siehe Nrn. 40, 42 und 60). Mars
aber hatte sich, wie auch seine Geliebte, beschämend lächerlich gemacht.
Die geschlechtliche Verbindung von Mars und Venus sollte nicht ohne
Folgen bleiben. So gebar die Göttin ihrem Liebhaber Phobos und Deimos,
Furcht und Schrecken, welche den Kriegsgott in alle Schlachten begleite-
ten. Eine wahrlich schöne Frucht ihrer Liebe aber war Harmonia, denn in
ihr kamen die durch Mars und Venus verkörperten Gegensätze, wie schon
der Name verrät, zum Ausgleich. Nicht zuletzt war auch Amor ihr gemein-
samer Sprößling. Ohnehin gab es wenig Grund zum Tadel für die Liebe der
Venus zu Mars, denn wenn immer der Gott bei der Göttin lag, schwiegen
die Waffen.
Ponsonellis Mars trägt Helm und Kettenhemd. Halstuch und Umhang
geben der Erscheinung einen weichen aber dynamischen Schwung. Sorgfäl-
tig sind Bart und Locken, überhaupt alle Details ausgeführt. Markant und
nahezu individuell präsentieren sich die Gesichtszüge. Der zur rechten Seite
gerichtete Blick sucht und verlangt nach dem Pendant, der Geliebten,-doch
Venus fehlt heute in den Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein ebenso
wie alle anderen Götter von der Hand des Bildhauers. Ponsonelli war Schü-
ler des Genuesen Filippo Parodi (1630-1702),> dessen Skulpturen die seiner
nahe stehen, doch zeigt die Büste des Mars auch Verwandtschaft zu Werken
des Pierre Puget (1620-1694).°
20/21 Mars und Rhea Silvia
Mars liebte auch Rhea Silvia, die Tochter des Königs Numitor von
Alba Longa. Sie war eine Vestalin, eine Priesterin der Vesta (griech. Hestia),
der Göttin des Herdes und des Herdfeuers, der Beschützerin der Familie, des
Gastrechtes und des geordneten Gemeinwesens. Den Vestalinnen wurde die
Obhut des im Tempel der Göttin brennenden Feuers anvertraut. Sie hatten
dafür Sorge zu tragen, daß es niemals erlosch, da dies für den Staat als Zei-
chen größten Unglücks galt. Vergil (70-19 v. Chr.) nennt Rhea Silvia in sei-
ner Aeneis Ilia.' Sie entstammte dem Geschlecht des Aeneas, des Sohnes der
Venus und des Anchises, der nach dem Fall von Troja sein Land verließ und
auf italischem Boden eine neue Herrschaft errichtete (siehe Nrn. 38, 40 und
42). Durch den Dichter erfahren wir auch, daß Rhea Silvia mit dem Kriegs-
gott Mars Zwillinge zeugte, zwei Söhne, die die Namen Romulus und Re-
mus erhielten und später die Stadt Rom gründeten. Es war Vergil daran ge-
20
Peter Paul Rubens (1577-1640)
Mars und Rhea Silvia
(ca. 1616/17)
Leinwand; 209x 272 cm
Inv. Nr. G 122
Erworben: 1710 durch Fürst
[ohann Adam Andreas I.
21
Peter Paul Rubens (1577-1640)
Mars und Rhea Silvia
(Skizze, ca. 1616/17)
Leinwand, von Holz übertragen;
54,6x74,3 cm
Inv. Nr. G 115
Erworben: 1977 durch Fürst
Franz Josef IL.