Ing. Lothar Beer
Die Eisenbahn durch
das Fürstentum Liechtenstein
Im heurigen Jubiläumsjahr der Vorarlberger Bahn
kann mit Recht die Frage gestellt werden, warum die
Österreichische Bahn durch Liechtenstein fährt und
damals nicht das ganze Land von der Eisenbahn er-
schlossen wurde. Um darauf eine Antwort zu finden,
ist die Verkehrsgeschichte und im besonderen die
Zntstehung der Eisenbahn in Vorarlberg zu betrachten.
Die ersten Ansätze zum Bau einer Eisenbahn durch
Vorarlberg nahmen bereits im Jahr 1845 ihren Anfang,
als England beabsichtigte, die Verbindung nach Indien
über den neu eröffneten Suez-Kanal zu beschleunigen.
Die Transitroute sollte von der Adria über die Alpen
an den Bodensee und weiter nach Norden führen.
In Feldkirch war ab dem Jahr 1847 der Industrielle
and spätere Handelskammerpräsident Carl Ganahl eine
;reibende Kraft für eine Eisenbahn, die Vorarlberg aus
seiner isolierten Lage befreien und mit dem österrei-
chischen Mutterland verbinden sollte.
Von der ersten Petition bis zur Eröffnung der Vor-
arlberger Bahn war ein mühevoller Weg von über
20 Jahren zurückzulegen. In einem Spezialgesetz wur-
de schliesslich am 20. Mai 1869 die Ermächtigung für
die Konzessionierung der Strecken Bludenz-Feldkirch-
Bregenz-bayerische Grenze mit den Flügelbahnen von
Feldkirch nach Buchs/SG und von Lauterach nach
St. Margrethen/ SG erteilt.
Nicht nur Österreich — hier erfolgte die Ausstellung
der Konzession für eine «Lokomotiv-Eisenbahn» am
17. August 1869 —, sondern auch die Schweiz und das
Fürstentum Liechtenstein mussten entsprechende
Konzessionen gewähren, da die Flügelbahnen Feld-
kirch-Buchs und Lauterach-St. Margrethen Nachbar-
staaten berührten.
Teilabschnitte der Vorarlberger Bahn
Bludenz—bayrische Grenze *)
Eröffnung
Feldkirch—Buchs
Eröffnung
Lauterach—$St. Margrethen
Eröffnung
62,423 km
1.7.1872
17,992 km
24.10.1872
9,054 km
23 11.1872
Vom Bau der Eisenbahn durch Liechtenstein
Die Entscheidung über den Eisenbahnanschluss in
die Schweiz war zwischen Wien und Bern im wesent-
ichen bereits festgelegt. Liechtenstein hatte auf eine
Änderung der projektierten Bahntrasse wenig Ein-
fluss. Um Liechtenstein dennoch in das Bahnnetz
miteinzubeziehen, mussten grosse Anstrengungen
unternommen werden. Schliesslich gelang es Öster-
reich und Liechtenstein, die Schweiz für einen Über-
gang bei Schaan-Buchs umzustimmen.
Der liechtensteinische Landtagspräsident Dr. Karl
Schädler hatte jedoch Einspruch gegen die Trassie-
rung erhoben, da die Linie quer zur Talrichtung führ-
;e und eine Wassergefahr darstellen würde. Um das
Bahnprojekt nicht zu verzögern, wurde dem Gesetzes-
antwurf für eine Konzession der Linie Feldkirch-Buchs
zugestimmt. Für den Bahnbau machte Liechtenstein
grosse Zugeständnisse, indem es die Bodenbeschaf-
fung zu günstigsten Bedingungen unterstützte sowie
einzelne Steuerbefreiungen gewährte. Liechtenstein
verwies auf den mit Österreich abgeschlossenen Zoll-
vertrag und verlangte erneut auch in der Eisenbahn-
frage entsprechende Berücksichtigung, indem die
Bahnlinie über den Hauptort Vaduz und von dort. in
die Schweiz nach Sevelen geführt werden sollte
Die konstituierende Generalversammlung der «k.k.
privilegierten Vorarlberger Bahn» fand am 3. Juli 1871
statt. Nach Durchführung der Trassenrevisionen wur-
de der Bahnbau an die Bauunternehmer Brüder Bras-
sey, Gebrüder Klein und Schwarz, vergeben.
Die von der Vorarlberger Bahn gepachtete Linie bayerische
Grenze—Lindau wurde wie die Flügelbahn Feldkirch—Buchs
am 24.10.1872 eröffnet.