Temperatur ist angenehm. Kurz, der holde Lenz hat
Einzug gehalten. Im Weinberg sind die Triebe schon
etwas gewachsen. Es wird nicht mehr lange dauern,
bis sie fünf bis sechs Zentimeter im Tag zulegen.
Nun ist es höchste Eisenbahn, etwaige Frostreser-
ven zu entfernen. Die Zeit für die erste Laubarbeit ist
gekommen. Man nennt sie Erlesen. Es geht darum,
die kleinen Triebe zu selektionieren. Schosse aus
den Nebenaugen, überzählige Schosse und Wasser-
schosse, sofern sie nicht dem Stockaufbau im näch-
sten Jahr dienen, werden weggenommen. Diese
Arbeit wird so früh als möglich gemacht, damit die
Rebe ihre Vorräte für die benötigten Triebe einsetzen
kann. Die Wachstumskonkurrenten werden auf ein
Minimum beschränkt, was eine optimale Ausnützung
der Reservestoffe ergibt. Beim Erlesen geht es aber
aicht nur darum, die Triebzahl herunterzusetzen,
sondern die richtigen stehen zu lassen. Eine falsche
Beurteilung kann empfindliche Ertragseinbussen
nach sich ziehen.
Immer mehr muss auch auf Krankheiten und
Schädlinge geachtet werden. Der falsche Mehltau
(Peronospra viticola) ist dabei das verheerendste
Übel. Er kann nur vorbeugend bekämpft werden.
Heute werden dazu vor der Blüte normalerweise
organische Fungizide eingesetzt. Grösser wird auch
die Zahl der Schädlinge. Zu den Milben kommen
Insekten wie Springwurm, Dickmaulrüssler, Blasen
füsse und viele mehr. Normalerweise werden diese
Äurch ihre Feinde in Schach gehalten, und nur ganz
selten rechtfertigt sich eine Spritzung.
Im Mai beginnt auch die Bodenbearbeitung. Dabei
ınterscheidet man zwei Bereiche: den Unterstock-
sereich und den Zwischenraum. Die Begrünung un-
ter den Stöcken wird niedrig gehalten. Im Zwischen-
raum dürfen die Pflanzen höher wachsen. Durch
Einsaaten wie Wicken, Klee, Ölrettich, Senfkraut und
zo weiter wird die Bodenstruktur verbessert. Ein wei
ceres Ziel der Begrünung ist es, den Nützlingen mög:
lichst gute Voraussetzungen zu bieten. Die Begrü
aung sollte aber nie das Niveau der Triebe erreichen,
weil dadurch zuviel Sonne verloren ginge. In unseren
Weinbergen wird zum grössten Teil gemäht und die
Anwendung von Herbiziden (Unkrautvertilgern)
Traubenblüte im Juni (Gemeinde)
nimmt ab. Es hat sich in den letzten Jahren immer
mehr gezeigt, dass gerade die unerwünschten Un-
kräuter wie Winden und Disteln durch sie eine starke
Ausbreitung erfahren. Auch aus ökologischen Grün-
den ist die Verwendung dieser Chemikalien nicht
unbedenklich.
Juni
Der Juni ist wohl der arbeitsintensivste Monat im Jahr.
Die Triebe wachsen jetzt sehr schnell, bei günstigen
Bedingungen bis zu sechs Zentimeter im Tag. Die
Länge der Triebe zwingt zu erneuter sorgfältiger
Laubarbeit.
Eigentlich handelt es sich um eine ganze Serie von
Arbeiten. Man nennt sie Heften, Verzwicken und
Ausbrechen. Heften wird vor allem im Stickelbau ge-
braucht, um die Faselschosse des nächsten Jahres am
Stickel festzubinden, damit sie keinen Schaden erlei-
den. In Drahtsystemen wird diese Aufgabe dem
Drahtgeflecht “übertragen”. Doch müssen die Triebe
auch dort eingeschlauft werden. Man heftet etwa zwei
Drittel der Triebe an den Stock. Ein Drittel lässt man
in den Zwischenraum wachsen.
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