Der letzte Woche in Wädenswil abgehaltene Kurs
für Rebbau (Laubarbeit und Schädlingsbekämpfung)
was auch von drei Herren aus Vaduz besucht. 147
20. Juni 1925
Das Erbrechen (Verbrechen) der Weinreben
Das Erbrechen ist eine so wichtige Weinbergarbeit,
dass sie nur von ganz kundiger Hand ausgeführt wer-
den sollte. Durch das Erbrechen wird das Zuchtholz
für das kommende Jahr bestimmt und der Trieb der
Reben für das laufende Jahr reguliert.
Der Weinbergarbeiter muss daher wissen: Welche
Triebe sind als Zuchthölzer für das nächste Jahr zu
wählen, welche Triebe sind einzukürzen und welche
sind auszubrechen?
In folgendem sollen diese Fragen beantwortet und
aiedurch eine kurze, aber doch womöglich vollstän-
dige Anleitung in der Behandlung des Weinstockes
>eim Erbrechen gegeben werden.
Vorerst muss erwähnt werden, dass die für
Zuchtholz bestimmten Schosse ohne jeden Eingriff
dem Fortwachsen überlassen und mit Stroh, Türken-
'aub, Bast usw. locker aufgebunden werden müssen.
(Weiden und Schnüre sind als Bindemittel für zarte
Triebe nicht geeignet.)
Sind die Triebe aus den zwei Augen der Grubrebe
nicht kräftig, so ist der stärkere aufzubinden und der
schwächere zu kürzen. Sind aber beide recht stark, so
sind auch beide ungekürzt an den Pfahl zu binden.
Würde in diesem Falle nur ein Schoss aufgebunden,
so werde dieses zu üppig und dickmarkig; solche
Triebe leiden dann im folgenden Winter am meisten
vom Froste. Bei einer zweijährigen Rebe sollte, wenn
sie schwachwüchsig ist, auch nur ein Schoss aufge-
bunden und die andern Triebe geköpft werden. Die-
ses Verfahren hat so lange fortzudauern, bis eine
stärkere Rebe erzielt wird. — Haben wir nun einen
jüngeren, kräftigen Rebstock, so sind in der Regel auf
dem Stürzling zwei Schosse aufzubinden und die auf
dem Knechte zu kürzen. Es kann vorkommen, dass
sich auf dem Knechte stärkere Triebe als auf dem
Stürzling finden; dann wird ein Schoss auf dem
Stürzling und eines auf dem Knechte aufgebunden.
Der stärkere dieser Triebe wird im kommenden Früh-
jahr zur Fortpflanzung des Rebstockes benützt, also
zum Stürzling geschnitten. Bei einem älteren und
hohen Rebstocke sollte, falls der Knecht ein kräftiges
Schoss hat, dasselbe aufgebunden werden. Zeigt sich
an der Rebe noch ein starker Trieb aus dem alten
Holze, so ist auch dieser aufzubinden, während die
Triebe auf dem Stürzlinge zu köpfen sind. Auf
einer zweistämmigen jüngeren Rebe hat man den bei-
den Stürzlingen je ein Schoss als Zuchtholz zu geben;
bei einer älteren zweistämmigen Rebe kann ein Trieb
des Knechtes verwendet werden, um sie zu verjüngen.
An der weissen Bogenrebe ist ein Trieb aus einem der
am Anfang des Bogens stehenden Auge und ein Trieb
auf dem Knechte als Zuchtholz zu bestimmen. Im-
merhin merke man sich, dass beim Stürzling und
Knecht die aus den untersten Augen hervorgespross-
ten Triebe als Zuchtholz zu nehmen sind, damit der
Stock nicht in Höhe getrieben wird. Hie und da kann
es vorkommen, dass der kräftigere Trieb des Stürz-
lings eine Stellung hat, welcher, wenn derselbe als
Leittrieb benützt würde, dem Stock eine weniger
schöne Form geben würde; in diesem Falle ist ein an-
derer, wenn auch schwächerer Trieb zur Fortpflan-
zung des Stockes zu nehmen.
Zu kürzen sind ferner alle jene Ruten, welche
Früchte angesetzt haben; die Spitzen derselben wer:
den ein bis zwei Blätter über der Traube abgekappt.
Sollte das Erbrechen erst dann stattfinden, wenn das
Holz der Ruten schon zähe geworden ist, so ist es an-
gezeigt, dass man zwei Blätter über der Traube kürzt,
weil das zunächst an der Bruchstelle gelegene Blatt
zern verletzt wird.
Häufig erscheinen Triebe aus dem alten Holz. Sind
dieselben in einer Höhe von 10 bis 15 Zentimeter, so
ind sie zu entfernen; denn an diese haben sich ge-
wÖöhnlich keine Trauben angesetzt, und wären noch
solche vorhanden. so sind sie doch nur sehr klein und
44 GAV, Signatur Nr. 725.
4 I Volksblatt, 20. Mai 1925, Nr. 40.
4% Blütenansätze.
7” ]Volksblatt, 10. Juni 1925, Nr. 46.
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