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Mssenpolitik
Bemerkungen zur liechtensteinischen Aussenpolitik
Standortbestimmung
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Liechtensteins Aussenpolitik ist traditionsgemäss einseitig ausgerichtet. Schwerpunkt dieser eindimensionalen
Zielrichtung ist die Erhaltung der Souveränität. Zwar enthält die liechtensteinische Verfassung von 1921 keinen
Artikel, der ausdrücklich auf dieses Ziel hinweist; doch die bisherige Aussenpolitik war ganz in diesem Sinne
ausgelegt.
In Wirklichkeit ist die liechtensteinische Souveränität jedoch relativ: Die Abhängigkeit vom Nachbar Schweiz, aber
auch die wirtschaftliche Verflechtung —- vor allem mit den anderen europäischen Staaten — sind unübersehbar, so
dass eine absolute Unabhängigkeit unrealistisch ist. In den letzten Jahren und Jahrzehnten ist unter den einzelnen
Staaten ein Beziehungsgeflecht entstanden, das von einem gegenseitigen Leistungsaustausch geprägt ist. Liech-
tensteins Lage in diesen vorwiegend wirtschaftspolitischen Beziehungen ist jedoch delikat: Es muss wohl ange-
nommen werden, dass besagter Leistungs«austausch» eher einseitig ist und dass Liechtenstein davon mehr
profitiert als es zurückgeben kann. Ein solches Ungleichgewicht kann aber dazu führen, dass der liechtensteini-
sche Staat über kurz oder lang in die Abhängigkeit einer einzelnen Macht oder einer Staatsgruppe gerät und darin
aufgeht.
Kann man sich überhaupt vor einer solchen Mediatisierung (Ubernahme durch einen anderen Staat oder eine
Staatsgruppe) erfolgreich schützen? — Liechtenstein ist ein schwacher Kleinstaat, sowohl was die Verteidigungs-
kraft als auch was die wirtschaftspolitischen Möglichkeiten betrifft. Selbst wenn das Fürstentum Liechtenstein
prozentual zu den höchstindustrialisierten Ländern der Erde gehört - im Vergleich zu den Welt-, Gross- und Mittel
mächten spielt Liechtensteins Wirtschaft eine unbedeutende Rolle und ist zudem in hohem Mass von den Export
möglichkeiten abhängig. Anders ausgedrückt: Die explosionsartige Entwicklung Liechtensteins vom Agrar- zum
Industriestaat nach dem Zweiten Weltkrieg hatte nicht nur Vorteile. Das zeigt sich besonders darin, dass sich das
Land im Falle einer Wirtschaftskrise kaum selbst versorgen könnte.
Ein Vergleich der Erwerbssektoren von 1930, 1980 und 1990 zeigt deutlich, wie sich die wirtschaftlichen Schwer-
punkte zum Nachteil der Autarkie (Selbstversorgung) verschoben haben:
A
fr
En
Erwerbssektoren 1980
Sektor 1 (Land- und Forstwirtschaft) 38.8% 4.0%
Sektor 2 (Industrie und Gewerbe) 39.6% 51.2%
Sektor 3 (Dienstleistungen) 21.6% 44.8%
1990
1.8%
51.2%
45.0%
Auch Liechtensteins Auslandsabhängigkeit ist deutlich: 60% der heutigen Arbeitskräfte in Liechtenstein sind Aus-
länder. Energie wird zu 92% vom Ausland bezogen, und die Rohstoffe werden zu 100 % importiert
Zukunftsperspektiven
Wirtschaftlich von grösseren Staaten bzw. von Staatengemeinschaften abhängig zu sein gehört zum Schicksal
aller industrialisierten Kleinstaaten. Auch die Schweiz ist davon nicht ausgenommen. Während die Schweiz aber
wirtschafts- und sicherheitspolitisch wenigstens einigermassen gefestigt dasteht, hat Liechtenstein nichts Ver-
gleichbares anzubieten.
Die Gefahr für Liechtenstein, ungefragt und ungewollt in einem Staatensystem aufzugehen, ist relativ gross. Ent-
gegensteuern lässt sich dieser Gefahr am ehesten, wenn versucht wird, die Fühler wirtschaftspolitisch in ver-
schiedene Richtungen auszustrecken, um so einer zu engen Bindung an einen einzigen Wirtschaftspartner auszu-
weichen. Bisher ist Liechtenstein — z.T. durch den Zollvertrag mit der Schweiz —- einseitig mit den westlichen Indu-
striestaaten verbunden. Es wäre abzuklären, ob die gegenwärtige Offnung der Oststaaten für Liechtenstein nicht
eine Möglichkeit darstellen könnte, neue Handelspartner zu finden und so nebenbei seine staatliche Eigenständig
keit zu demonstrieren. Denn für Liechtenstein sind multilaterale Beziehungen überlebenswichtig: Die Eigenstaat-
lichkeit lässt sich bedeutend leichter verteidigen, wenn man als Kleinstaat mehrere (Wirtschafts-) Partner hat, als
wenn man von einem einzigen Mächtigen abhängig ist.