Liechtenstein — Ein Kleinstaat im Herzen Europas
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Liechtenstein — Ein Kleinstaat im Herzen Europas steht vor der
wichtigsten Entscheidung in diesem Jahrhundert
Wie eine kostspielige (ca. sFr. 1 Mio.) und sehr einseitig angelegte Infor-
mationskampagne der Regierung letztendlich zu einer Klage auf Nichtig-
keits-Erklärung der EWR-Abstimmung führte
Der “Europäische Wirtschafts-Raum” war im Jahre 1992 auch im Fürstentum Liechten-
stein das Thema Nr. 1, bzw. wurde teilweise dazu gemacht. Auf Kosten der liechtenstei-
nischen Steuerzahler führte die Regierung eine Informationskampagne durch, welche an-
geblich von externen Fachleuten entworfen und auch teilweise überwacht wurde. Dieser
äusserst expensive ”Werbefeldzug” der Regierung (man spricht von Gesamtkosten in
Höhe von ca. sFr. 1 Mio. !!) führte jedoch letztendlich nicht zum gewünschten Ziel, wes-
halb am 8. bzw. 11.12.1992 im Rahmen einer Fernsehsendung auf dem neu errichteten
Landeskanal, zum “letzten Schlag” ausgeholt wurde. Die dort gemachten "Aussagen"
hatten dann auch prompt ihre Wirkung, denn die liechtensteinische Bevölkerung ent-
schied sich am 13.12.1992 mehrheitlich für die Teilnahme Liechtensteins am EWR. Eine
gute Woche nach dieser ”Jahrhundert-Abstimmung” reichte ein besorgter Liechtensteiner
eine Abstimmungs-Beschwerde bei der Regierung ein. Am 21. Januar 1993 zog er diese
Beschwerde weiter an die VBI und seit dem 7. April 1993 liegt die ganze Sache zur end-
gültigen Entscheidung beim Staatsgerichtshof als letzte Instanz. Im Rahmen dieser Be-
schwerde wird u.a. die äusserst kostspielige und allzu stark beeinflussende Werbekam-
pagne der Regierung angeprangert. Ferner wurde auch der durch das angekündigte ”Ver-
handlungs-Mandat” vorgenommene "Austausch der eigentlichen Abstimmungsgrundla-
ge” bemängelt. Der Staatsgerichtshof muss nun entweder der Beschwerde stattgeben und
die EWR-Abstimmung vom 11./13.12.1993 für nichtig erklären oder aber die Klage abwei-
sen. Man darf nun mehr gespannt sein, welche Art von Recht in einer derart delikaten
Angelegenheit gesprochen wird. -
Bereits die ersten Gespräche mit der Schweiz auf Experten-Ebene zeigen in aller Deut-
lichkeit auf, dass die Erhaltung der offenen Grenzen zur Schweiz bei gleichzeitigem Bei-
tritt zum EWR mit weitaus grösseren Problemen verbunden ist, als man dies vor Beginn
dieser Gespräche überhaupt abschätzen konnte. Von Seiten der liechtensteinischen Ver-
handlungs-Delegation zeigt man sich verständlicherweise optimistisch. Kurz gesagt, man
hofft eine für alle Parteien vertretbare Lösung erarbeiten zu können. Im weiteren hofft
man, dass diese Lösung dann auch von den Gremien der 12 EG-Staaten sowie den 5
EFTA Staaten voll und ganz akzeptiert wird. Trotz aller Hoffnung wartet man jedoch in
Liechtenstein bis zum heutigen Tage vergebens auf die kurz vor der Abstimmung von of-
fizieller Seite vorausgesagten Verhandlungs-Erfolge. Woran kann das wohl liegen ? Hat
man die Zollvertragsmaterie unterschätzt oder versucht man nun mehr oder weniger un-
vorbereitet und auf "gut Glück” zu retten was noch zu retten ist. Eines ist jedoch heute
schon sicher: Mit der gegenüber der liechtensteinischen Bevölkerung gemachten Aussa-
ge, wonach der Zollvertrag lediglich in ein oder zwei Punkten angepasst werden muss,
damit die Erstellung von ”Zollhäuschen entlang des Rheins” verhindert werden kann, hat
man sich wohl doch etwas vertan.