Nebenbeschäftigung zu ihrer Hausarbeit gewertet und dementsprechend we-
niger als eigenständige Erwerbstätigkeit wahrgenommen. Gleichzeitig be-
wirkte die Geschlechterhierarchie, dass der Mann — sei es Ehemann oder Vater
- seine Position als Familienoberhaupt auch auf die selbständige Erwerbstä-
tigkeit der Frauen im Laden ausdehnte. Typische Beispiele hierfür sind die
Händlerinnen, die ich interviewte, Als Frau Q. nach dem Tod ihres Vaters den
Laden übernahm, wurde die Konzession nicht vom Vater auf sie, sondern auf
jen Ehemann übertragen, obwohl dieser nicht im Laden arbeitete. Auch bei
den Geschwistern J. lautete die Konzession auf den Namen des Vaters, was
sich auch mit der offiziellen Übergabe des Ladens an seine beiden Töchter
nicht änderte. Auf meine Frage, ob es üblich war, dass Frauen selbständig
einen Laden führten, antwortete Frau J.: «Das hat dazumal nicht so ausgese-
hen, als ob wir den Laden selbständig führten. Da ist der Vater dagestanden
und unser Bruder — die sind dem Laden vorgestanden.» F: «Aber Sie haben
doch den Laden geführt?» Frau J.: «Ja, drinnen stehen mussten wir.»
Die Orientierung an der bürgerlichen Rollennorm und die damit zusammen-
hängende Definition der Frau über die Familie prägten auch den ausserhäuslichen
Arbeitsbereich. Sie liessen dort ein typisch weibliches Berufsspektrum entste-
hen. Dieses umfasste Tätigkeiten in der Haus- und Gastwirtschaft und solche
im Textil-, Bekleidungs- und Nahrungsmittelgewerbe und, in Liechtenstein
erst ab den 40er Jahren, auch die Sozial- und Büroberufe. Berufsbezeichnun-
gen wie «Dienstmädchen, Serviertochter, Fabrikmädchen, Ladentochter oder
Bürofräulein» geben der Wertschätzung, die diesen Berufen zukam, treffen-
den Ausdruck. Sie galten als Übergangsphase bis zum «eigentlichen Beruf»
der Hausfrau, Gattin und Mutter. Das hatte zur Folge, dass den konkreten
Arbeitsbedingungen oder gar langzeitlichen Berufsperspektiven nur geringe
Bedeutung zugemessen wurde.
Liechtensteinerinnen lebten dieser Norm in sehr starkem Ausmasse nach: In
der Haus- und Gastwirtschaft suchten und fanden «junge, brave, willige und
treue Mädchen» Arbeit, in die Fabriken gingen grösstenteils ledige Frauen.
Nach der Heirat — im gesellschaftlichen Verständnis das Ziel jeder Frau —
wechselten die meisten in den häuslichen Arbeitsbereich über, Neben der
Hausarbeit und der Versorgung der Kinder gehörten hier die Arbeit in der
Landwirtschaft oder im Kleinhandel zum Alltag der Frauen.
Die hier exemplarisch aufgezeigte enge Verflechtung zwischen den konkreten
Arbeitsverhältnissen von Frauen und der gesellschaftlichen Wahrnehmung
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